Berlin. Nach der Umwandlung findet das erste Freitagsgebet in der Moschee Hagia Sophia statt. Der griechische Erzbischof wählte harte Worte.

Anlässlich des ersten Freitagsgebets seit 86 Jahren in der Hagia Sophia in Istanbul hat das Oberhaupt der orthodoxen Kirche Griechenlands drastische Worte gewählt. „Heute ist ein Tag der Trauer für das gesamte Christentum“, sagte Erzbischof Hieronymos am Freitag. Die Türkei hatte den seit 1934 bestehenden Museumsstatus des Bauwerks in einer umstrittenen Entscheidung aufgehoben.

Als Zeichen des Protestes gegen die Umwandlung der einstigen byzantinischen Kathedrale sollen fast zeitgleich mit dem Freitagsgebet in der Hagia Sophia in Griechenland die Kirchenglocken mit ihren Fahnen auf Halbmast läuten, teilte der Erzbischof mit. In Athen und Thessaloniki kündigten religiöse und nationalistische Gruppen Proteste an.

Dass die Hagia Sophia künftig als Moschee dient, sei laut Hieronymos ein „unheiliger Akt der Schändung“. Der weltbekannte Kuppelbau sei „ein Symbol unseres Glaubens und ein universelles Denkmal der Kultur“.

Hagia Sophia war von Erdoğan in eine Moschee umgewandelt worden

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am 10. Juli die Umwandlung in eine Moschee angeordnet, nachdem das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei zuvor den jahrzehntelang geltenden Status des Gebäudes als Museum aufgehoben hatte.

Erdoğan und seine Ehefrau Emine in der zur Moschee umgewandelten Hagia Sophia im historischen Stadtviertel Sultanahmet.
Erdoğan und seine Ehefrau Emine in der zur Moschee umgewandelten Hagia Sophia im historischen Stadtviertel Sultanahmet. © dpa | Uncredited/ Turkish Presidency/AP

Die Hagia Sophia war im 6. Jahrhundert zunächst als Basilika errichtet worden und über Jahrhunderte die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und eine der wichtigsten Kirchen der Christenheit gewesen. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen wurde sie in eine Moschee umgewandelt. Nach der türkischen Republikgründung war sie lange Zeit ein Museum.

Hagia Sophia: Tausende Gläubige kamen zum Freitagsgebet

Tausende Gläubige versammelten sich unterdessen in Istanbul vor der Hagia Sophia, um am ersten Freitagsgebet teilzunehmen, das am Mittag beginnen sollte. Einige hatten in Zelten vor der Moschee übernachtet. Auch im Inneren der Moschee waren Gläubige versammelt, wie Fernsehbilder zeigten.

Istanbul: Zahlreiche Menschen hatten sich zum ersten Freitagsgebet seit der Umwandlung vor der Hagia Sophia versammelt.
Istanbul: Zahlreiche Menschen hatten sich zum ersten Freitagsgebet seit der Umwandlung vor der Hagia Sophia versammelt. © AFP | OZAN KOSE

Behörden hatten die Gläubigen aufgefordert, Masken zu tragen und auf den Mindestabstand zu achten. Journalisten berichteten am Vormittag allerdings von riesigen Menschentrauben, die dicht an dicht stehen würden. Viele Straßen wurden bereits am Vorabend für den Verkehr gesperrt. Insgesamt sollen mehr als 20.000 Polizisten im Einsatz sein. Im Gebäude sprachen Imame im Beisein von Präsident Erdoğan.

Hagia Sophia: Kritik für die Umwandlung in- und außerhalb der Türkei

Die Umwandlung der Hagia Sophia war in der Türkei und auch international kritisiert worden. Opposition und Beobachtende warfen Erdoğan vor, mit der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee von wirtschaftlichen Problemen ablenken zu wollen.

Hagia Sophia wird Moschee- Kritik aus aller Welt an Erdogan

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    Der Kolumnist Merdan Yanardağ wertete die Umwandlung der Hagia Sophia als Abrechnung Erdoğans mit Atatürk und dessen Vorstellung einer laizistischen Republik. „Es ist ein Angriff auf die Gründungsideen der Republik und die fortschrittlichen Werte, die von ihr ausgehen“, schreibt er in der regierungskritischen Zeitung „Birgün“.

    Die Grünen-Politikerin Claudia Roth bezeichnete die Umwidmung des Gebäudes am Freitag im SWR als eine Grenzüberschreitung, mit der sich Erdoğan Applaus aus der islamischen Welt sichern wolle. Roth beschrieb die Umwandlung als „Kampfansage an die laizistische Türkei“ und forderte eine Reaktion der EU.

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    Seine Pläne hatte Erdoğan bereits in der Vergangenheit angekündigt. Im März 2019 erklärte er, die Hagia Sophia solle zur Moschee gemacht werden. 2016 waren nach dem Terroranschlag von Istanbul mehrere Menschen vor dem Gebäude ums Leben gekommen: Eine Frau starb noch einen Monat nach dem Anschlag.

    (afp/dpa/reb)