Washington. Die Riesenhornisse Vespa Mandarinia überfällt die USA. Ihr Gift tötet massenhaft Honigbienen. Doch auch Menschen sind in Gefahr.

So viele Leichen, bei denen der Kopf säuberlich vom Torso abgetrennt war, hatte Ted McFall in seinem Leben noch nicht auf einen Haufen gesehen.

Als der Imker aus Custer im US-Bundesstaat Washington Ende vergangenen Jahres routinemäßig seine Bienenstöcke kontrollierte, fand er Tausende seiner fleißigen Honigproduzenten dahingemeuchelt vor - und von den Tätern kein Spur.

Wenige Monate später ist der Einzelfall Auslöser für eine Alarmwarnung von Insektenforschern und staatlichen Behörden geworden. Wie Timothy Lawrence dieser Zeitung sagte, spricht manches dafür, dass die „Asiatische Riesen-Hornisse” (Vespa Mandarinia) im Nordwesten der Vereinigten Staaten Fuß fassen könnte.

Riesenhornissen bringen ganze Honigbienen-Population in Gefahr

Käme es so, wären die „Konsequenzen für die Honigbienen-Population einschneidend und zerstörerisch”, sagt der Professor der Washington State University und fügt in einem noch unveröffentlichten Merkblatt gemeinsam mit zwei Kollegen hinzu: „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir die neue Pest identifizieren, einfangen und versuchen zu eliminieren, bevor sie sich festsetzt und ausbreitet.”

Auch für die öffentliche Gesundheit gebe es Risiken. Die Hornisse verspritze sieben Mal soviel Gift wie eine normale Biene, das auch für Menschen lebensgefährlich sein könne. Und das bei einem mehrfach einsetzbaren Stachel, der normale Kleidung mit Leichtigkeit durchdringe. Aus Japan, wo „Vespa mandarinia” heimisch ist, würden im Jahr rund 50 Todesfälle gemeldet.

„Unersättlicher Räuber“ mit Riesen-Stachel

Bei den von vorn etwas an die Filmfiguren „Spiderman” und „Predator” erinnernden orange-gelben Brummern, die die Länge eines ausgewachsenen Daumens erreichen können, handele es sich um einen „unersättlichen Räuber”. Riesen-Hornissen können im Verbund von 20 bis 30 Exemplaren „binnen weniger Stunden ein Volk von 50 000 europäischen Honigbienen auslöschen”, sagt Lawrence.

Dabei bedient sich die die in US-Medien als „Killer-Hornisse” bezeichnete Groß-Wespe vor allem ihrer imponierenden Mundwerkzeuge (mandibles). Damit wird die Beute zerlegt und der verwertbare Teil zur Proteinzufuhr zum eigenen Nachwuchs transportiert.

„Das furchteinflößendste Insekt der Welt“

Laut Professor Justin Schmidt handelt es sich bei der „Asiatischen Riesen-Hornisse” um das „furchteinflößendste Insekt der Welt”. Der renommierte Forscher aus Arizona hat ein berühmtes Standardwerk geschrieben: “Der Stachel der Wildnis: Die Geschichte des Mannes, der sich im Dienst der Wissenschaft stechen ließ”.

Wie die Insekten in zwei nachgewiesenen Fällen den Sprung nach Nordamerika und den Südwesten Kanadas geschafft haben (als „blinde Passagiere” bei Güter-Transporten oder bewusst eingeführt), ist laut Timothy Lawrence noch nicht geklärt. Entscheidend sei, die Bevölkerung jetzt für den potenziellen Eindringling zu sensibilisieren. Andernfalls könne das Ökosystem schweren Schaden nehmen.

Nicht nur für Imker wäre das Risiko hoch. Auch viele Landwirte seien auf Honigbienen angewiesen, damit etwa Obstbäume bestäubt werden.

Bevölkerung muss bei der „Fahndung“ mithelfen

Lawrence verspricht sich durch konzertierte Aufrufe des Landwirtschaftsministeriums aktive Mithilfe der Bevölkerung, um zeitnah zu erfahren, wo Hornissen in Erscheinung treten. Dazu ist eine eigene Notfall-Telefonnummer geschaltet worden.

Bei der „Fahndung” könnte der Lebenszyklus der Insekten, die in der Antike in Tonkrügen als Katapulte in die gegnerischen Reihen geschleudert worden sein sollen, den Behörden in die Hände spielen.

Von April an beginnt die Hornissen-Königin, die den Winter überstanden hat, mit der Gründung eines neuen Staates. Ist der erste Wabenbau etabliert und die Kolonie entsprechend angewachsen, schwärmen „Arbeiter”-Hornissen aus, um genügend Protein für die Aufzucht geschlechtsreifer Königinnen und deren Begattung für die Gründung neuer Staaten zu finden.

Im Spätsommer am aggressivsten

Am aggressivsten und gefräßigsten, sagt Timothy Lawrence, sind die Riesen-Hornissen im Spätsommer und Frühherbst. In dieser Zeit würden vermehrt Bienenstöcke angegriffen.

Anders als japanische Honigbienen, die einen von Schwarm-Intelligenz gesteuerten Abwehr-Mechanismus entwickelt haben, seien amerikanische Bienenvölker den Attacken schutzlos ausgeliefert – noch mehr als in Deutschland, wo auch die Honigbienen bedroht sind.

Fallen für die Königinnen

Um die potenzielle Plage im Frühstadium einzudämmen, werden in den kommenden Wochen im Bundesstaat Washington verstärkt Fallen aufgestellt, die den Königinnen gelten. „Unser Augenmerk liegt auf Entdeckung und Ausrottung”, zitierte die „New York Times“ am Sonntag in einem Artikel den staatlichen Insektenforscher Chris Looney.

Timothy Lawrence hat nach Freischaltung des Reports am Sonntag 40 E-Mails aus allen Teilen des Landes bekommen. „Darunter waren Fotos von Hummeln und gewöhnlichen Wespen. Wir müssen noch abwarten, ob es ein Ärgernis ist oder eine echte Bedrohung wird, aber die Leute sind besorgt.”

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