Essen. Was würde passieren, wenn eine rechtspopulistische Partei die Mehrheit im Bundestag holt? Dieses Szenario zeigt die Serie „Deutscher“.

Die Idee zum Drehbuch entstand vor etwa zwei Jahren und ist als Gedankenspiel reizvoll bis gefährlich-realistisch: Was wäre, wenn eine rechtspopulistische Partei nicht nur mit großer Stimmenzahl in den Landtag einziehen würde, sondern auch noch die absolute Mehrheit im Bundestag holt? Wie würden rechte Politik unseren Alltag verändern? Oder das Verhalten unserer Mitmenschen?

Nun ist die vierteilige Mini-Serie von Stefan Rogall (Autor) und Simon Ostermann (Regie) fertig. Und am Dienstag, 28.4. und Mittwoch, 29.4. ab 20.15 Uhr jeweils in Doppelfolgen bei ZDFneo zu sehen. Trotz des Titels ist „Deutscher“ kein Politdrama geworden, schon eher eine Sozialstudie: Gezeigt wird eine kleine, proportional ausgewogene Gesellschaft, die in einem ruhigen Vorort, irgendwo im Nirgendwo lebt – an den Autokennzeichen erkennbar im Umland von Bergisch-Gladbach.

Wie wirkt sich ein politisches Erdbeben auf den Durchschnittsbürger aus?

Dort wohnen, sozusagen exemplarisch, die Familien Schneider und Pielcke seit Jahren Haus an Haus. Das eine ist rot, das andere blau. Die Apothekerin und der Lehrer (Schneider) sowie der selbstständige Installateur (Pielcke) haben wenig gemeinsam, außer dass ihre gleichaltrigen Teenager-Söhne David und Marvin eng befreundet sind. Der Sieg der Rechtspopulisten (ohne Parteinamen!) verursacht im Ort jedenfalls kein Erdbeben, noch nicht einmal in den Medien.

Abwarten heißt die Devise. Schauen wir mal, was kommt. Der freundlichen Zickerei unter den Nachbarsfrauen (durchaus charmant: Meike Droste, Milena Dreißig), tut die Veränderung im Zentrum der politischen Macht zumindest keinen Abbruch.

Weder die Schneiders noch Pielckes sind schließlich politische Fanatiker. Dafür aber die meisten anderen: Verkappte Rechte treten vor und sagen endlich mal, wo es langgeht. Ihre Sprache ist Gewalt, was sonst. Ausländisch aussehende Menschen werden fortan von einer Bande blonder Halbstarker mit kurz geschnittenem Haar bedroht, bespuckt, geschlagen.

Der Name „AfD“ fällt in der Serie nicht

Bevor aus dem arabisch geführten „Burger & more“ ein „Schnitzelhaus“ werden kann, kommt es zu einem Brand­anschlag, einer Entführung, mehreren Schlägereien und Kündigungsandrohungen. Niemand wehrt sich erfolgreich. Die Polizei ermittelt nicht. Nicht einmal die Presse schreit auf. Selbst das Ende bleibt offen. Bestenfalls noch fragen sich die Nachbarn, was wichtiger ist: eine Auseinandersetzung über politische Werte? Oder doch weiterhin gute Nachbarschaft?

So reizvoll die Drehbuch-Idee also auch gewesen sein mag – die angespielten Situationen hätten auch von den Machern eine wesentlich striktere Haltung verlangt. Die aber trauen sich nicht, konsequent und kompromisslos das (noch) Unvorstellbare durchzuspielen. Stattdessen wirkt die Mini-Serie seltsam harmlos und unentschieden – banal in den Dialogen, sehr ungenau in den Details. Und ist auch noch schlecht zusammengeschnitten. Kurz: gut gemeint. Gut möglich nur, dass danach vor allem die Rechtspopulisten applaudieren: Seht her, so schlimm wäre das doch eigentlich gar nicht.

Rechtspopulismus in Deutschland

Die Hälfte der Deutschen rechnet damit, dass die AfD in kommenden zehn Jahren in Deutschland Regierungsverantwortung übernimmt. Um die AfD ist es in den vergangenen Wochen der Krise verhältnismäßig still geworden. Die Partei entschied, die als rechtsextremistisch eingestufte Gruppierung „Der Flügel“ aufzulösen. Parteichef Jörg Meuthen brachte sogar eine Abspaltung des „Flügels“ als eigene Partei ins Spiel und wurde dafür von seinen Parteifreunden scharf kritisiert.