Essen. Der Palliativarzt Matthias Thöns glaubt bei Corona nicht an die Intensivmedizin: „Wir behandeln Patienten, die nicht zu retten sind.“

Der Wittener Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns kritisiert in der Corona-Krise, dass die Medizin vor allem auf Beatmung setzt. Der Versuch, alte Patienten zu retten, die das gar nicht wollten, sei eine „ethische Katastrophe“ Ein Gespräch.

Die ganze Welt ruft nach Beatmungsgeräten. Sie aber warnen vor davor, alle Hoffnung in die Intensivmedizin zu setzen. Warum?

Dr. Matthias Thöns: Die reine Fokussierung auf die Intensivmedizin und den Ausbau der Beatmungsplätze ist ein Denkfehler. Die Lungenentzündung durch Covid-19 ist eine furchtbar schwierig zu behandelnde Erkrankung. Für die richtige Beatmung brauchen wir gut ausgebildetes Personal, trotzdem hilft das oft nicht. In China sind nach einer ersten Studie 97 Prozent der Patienten trotz Beatmung gestorben, nur drei Prozent haben also überlebt.

Die Betroffenen haben meist schwere Lungenschäden, das bedeutet, dass die Lebensqualität selbst nach Rettung niedrig sein wird. Nach zwei, drei Wochen Beatmung haben die Menschen oft über Jahre sehr schwere Folgeerkrankungen, etwa 90 Prozent bleiben schwer pflegebedürftig. Im Schnitt waren die Verstorbenen in Deutschland und Italien über 80 Jahre alt und mehrfach vorerkrankt. Zu denken, wir müssen einfach nur mehr Geräte kaufen, wird kein Menschenleben retten. Die meisten, das muss man sagen, sterben trotzdem.