Berlin. Hollywood-Star Tim Robbins ist politisch sehr engagiert. Er redet über die US-Wahl, die Sünden der Vergangenheit und seine neue Serie.

Tim Robbins ist nicht einfach nur Hollywood-Schauspieler und -Regisseur, sondern in der Branche auch einer der wichtigsten Verfechter liberaler Politik, der mit seinen Ansichten oft angeeckt ist. Deshalb ist die Stephen-King-Serie „Castle Rock“ (zu sehen bei Streamingdiensten wie Starzplay Channel) für den 61-Jährigen nicht einfach nur ein Job, sondern eine Möglichkeit, gesellschaftliche Botschaften zu transportieren.

Sie sind in der zweiten Staffel der Serie „Castle Rock“ zu sehen, die vordergründig eine Horrorstory erzählt, aber auch von tiefgreifenderen Themen handelt. Was können wir aus dieser Geschichte lernen?

Tim Robbins: Die Serie spielt in einer Stadt, die dazu verdammt ist, ihre Vergangenheit zu wiederholen – einschließlich aller Dämonen und Geister. Und das bedeutet für uns: Wenn wir nicht die Sünden unserer Vorväter aufarbeiten, dann sind auch wir verdammt, sie zu wiederholen. Letztlich zeigt sich das auch in der Geschichte unseres Landes. Wir haben nie für den Völkermord an der einheimischen Bevölkerung gebüßt, ebenso wenig für die Versklavung all der Frauen und Männer aus Afrika, mit denen wir unsere Wirtschaft aufgebaut haben.

Sehen Sie denn in den USA eine Wende zum Besseren?

Robbins: Im Gegenteil, wir bewegen uns gerade rückwärts und malen uns eine Vergangenheit aus, die nie existiert hat – eine fiktive Version eines weißen Amerikas. Wir waren immer ein kompliziertes Land, das von Einwanderern definiert wurde. Die Vorstellung einer weißen Oberherrschaft ist hoch gefährlich und hat mit unserer gesellschaftlichen Realität absolut nichts zu tun.

Was können Sie als Künstler da tun?

Robbins: Ich kann auf der Bühne Geschichten erzählen, die unsere Kultur reflektieren. Mit meiner Theatertruppe „Actors’ Gang“ trete ich in Gefängnissen und in Schulen auf und bringe Häftlingen und Kindern Kreativität näher, und hier können wir wirklich etwas ausrichten. Ich habe gesehen, wie sich Menschen durch diese Erfahrung verändert haben, wie aus traumatisierten Jugendlichen Führungspersönlichkeiten wurden. Das sehe ich jede Woche.

Aber Sie sind ja auch prominenter Filmschaffender, haben mit Filmen wie „Bob Roberts“ schon in den 90ern die Gefahren beleuchtet, die von einem rechtsgerichteten Millionär ausgehen...

Robbins: Aber das ist eben davon abhängig, ob die Menschen, die Zugriff auf einen Haufen Geld haben, wollen, dass ich eine solche Geschichte erzähle. Das kann sehr frustrierend sein. Ich habe es traurigerweise oft genug erlebt, dass Filmschaffende, die ich bewunderte, billige Kompromisse eingehen.

Was genau verstehen Sie unter „Kompromisse“?

Robbins: Die Menschen einfach nur abzulenken. Wenn du nur noch so etwas machst, dann frisst dich das auf. Denn als Künstler hast du die Verantwortung, die Wahrheit zu erzählen. Natürlich hoffe ich, dass sich irgendein mitfühlender Mäzen findet, der meine nächste politische Filmsatire finanziert, aber solange das nicht der Fall ist, dann mache ich das eben im Theater.

Wo Sie allerdings bei weitem nicht so viele Menschen erreichen.

Robbins: Aber lieber erzähle ich für 2000 Menschen im Theater die Wahrheit, als Ablenkung für zwei Millionen zu schaffen. Reine Ablenkung ist ganz besonders in so problematischen Zeiten wie diesen gefährlich.

Haben Sie eine Hoffnung, dass sich durch die US-Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr etwas ändert?

Robbins: Meine grundsätzliche Erkenntnis ist: Du musst lokal denken und handeln. Ich würde mir wünschen, dass ein bestimmter Kandidat alles ändern kann. Aber das wird nicht passieren. Vielleicht bietet er medizinische Versorgung, um noch schlimmere Verletzungen zu verhindern. Letztlich müssen sich die Individuen wandeln, bevor sich die Welt verändern kann.

Sie unterstützen also keinen der aktuellen Kandidaten?

Robbins: Doch, doch. Ich bin für Bernie Sanders, denn ich glaube, dass er die beste Chance hat, gegen Donald Trump zu gewinnen.

Viele Demokraten und US-Medien sehen das anders, weil er zu extreme Positionen vertreten.

Robbins: Ich kann die Strategie, auf einen zentristischen Politiker zu setzen, nicht verstehen. Wir brauchen jetzt mutigere Ideen als das. Leider ist diese Strategie in den letzten 20 Jahren immer von den Mainstream-Medien promotet worden, und jedes Mal hat sie fehlgeschlagen. Die Experten wollten uns einreden, dass Al Gore gewinnt und dann John Kerry und schließlich Hillary Clinton.

Wie war es mit Obama?

Robbins: Der galt als Progressiver, der eine neue Denkweise vertrat und die Dinge ändern wollte. Trotzdem setzt man jetzt den populärsten Kandidaten herunter, der die meisten freiwilligen Helfer und die meisten Spenden hat. Ich verstehe das einfach nicht. Auf jeden Fall versuchen wir das Beste, damit Bernie die Nominierung gewinnt, selbst wenn das Establishment dagegen ist.

Und was würden Sie sich von ihm wünschen – nicht zuletzt als Großvater von zwei Enkeln?

Robbins: Einen durchgreifenden Wandel. Wir brauchen einen grünen „New Deal“, mit dem wir den CO2-Ausstoß reduzieren und eine neue Ökonomie schaffen. So viele Länder sind uns bei alternativen Energien weit voraus. Hoffentlich kann ein Erdrutschsieg und ein demokratischer Machtwechsel das alles befördern. Und auch dass wir wieder an die Fakten glauben, die uns die Wissenschaft bietet. Ansonsten kann ich zu meinen Enkeln nur sagen: Ich wünsche uns allen viel Glück!