Berlin. Schauspielerin Sienna Miller ist zurzeit im Kino („21 Bridges“) zu sehen. Sie spricht über Frauenrollen, Superhelden und ihre Tochter.

Es gab Zeiten, da musste Sienna Miller noch um große Rollen kämpfen, inzwischen ist die 38-Jährige als Hauptdarstellerin etabliert. Zurzeit läuft der Polizisten-Streifen „21 Bridges“ mit ihr in der zweiten Hauptrolle in den Kinos. Indes liegen ihre Präferenzen nicht bei den Hollywood-Blockbustern. Ihr Lebensgefühl ist und bleibt das einer New Yorkerin, selbst wenn ihr die Stadt manchmal zu viel wird.

In „21 Bridges“ kriegen Sie es als Cop mit einem Kollegen zu tun, der Ihre Qualitäten nicht zu schätzen weiß. Ist Ihnen das schon mal in Ihrem Job als Schauspielerin passiert?

Sienna Miller: Ich habe nie eine Situation erlebt, die völlig außer Kontrolle geraten ist. Ja, es gab Situationen, wo ich von manchen Leuten unterschätzt wurde, aber es war nie so, dass ich deshalb bei einem Projekt ausgestiegen wäre.

Weshalb wurden Sie denn unterschätzt?

Man hat mich in meinen jungen Jahren mit meinem Medien-Image verwechselt. Da wurde ich in einer Tour fotografiert. Und man traute mir auch keine historischen Filme zu. Diese vorgefassten Meinungen waren nicht einfach zu überwinden. Aber ich habe alles getan, um meine Talente und meine Vielseitigkeit zu beweisen. Und deshalb bin ich auf die Arbeiten, die ich mit 22, 23 machte, genauso stolz wie auf meine Filme jetzt. Teilweise hatten Frauen früher grundsätzlich weniger Chancen. Jetzt gibt es immer mehr Filme, bei denen wir im Mittelpunkt stehen.

Und dieses Rad wird sich auch nicht mehr zurückdrehen?

Ich glaube, dass keiner mehr – inklusive der Dinosaurier in der Branche – bestreiten kann, dass Frauen nicht die gleichen Chancen hatten und nicht die gleiche Bezahlung für dieselben Jobs wie Männer bekamen. Das versucht man jetzt ernsthaft zu lösen. Das Gute dabei ist, dass wir Frauen endlich an einem Strang ziehen. Wenn es Diskriminierung gibt, dann gibt es ein ganzes Heer von uns, das sich hier zu Wort meldet. Diese Solidarität ist sehr aufregend. Und aus diesem Grund unterstütze ich auch die „Time’s Up“ Bewegung. Die Verhaltensmuster und Praktiken von früher werden wir nicht mehr tolerieren.

Inzwischen erobern immer mehr Frauen so populäre Genres wie Superhelden-Filme. „21 Bridges“ wurde von den „Avengers“-Regisseuren produziert. Wäre das etwas für Sie?

Die Gebrüder Russo zeichnen für diesen Film verantwortlich, aber mich erinnert das eher an die klassischen New-York-Thriller von Sidney Lumet. Ich weiß nicht so recht, was ich von den ganzen Marvel-Produktionen halten soll. Martin Scorsese hat die letztes Jahr in einem Kommentar für die „New York Times“ kritisiert, und so empfinde ich auch. Mir wäre lieber, wenn Sie sich meine jüngsten Filme wie das Familiendrama „American Woman“ anschauen – die haben nichts mit Superhelden-Stories zu tun, und mit denen identifiziere ich mich viel mehr.

Wer sind denn Ihre persönlichen Superhelden?

Letztes Jahr fand ich mich bei einer Talkshow auf einer Couch zwischen Robert De Niro und Bruce Springsteen wieder. Viel besser geht’s wohl nicht. Und ein anderes Mal war ich bei einer Preisverleihung, wo ich plötzlich in einer Ecke Martin Scorsese und Francis Ford Coppola entdeckte, zwei Riesen­idole, die einige meiner absoluten Lieblingsfilme gedreht haben. Da fiel mir die Kinnlade sozusagen bis zum Boden herunter. Vor solchen Menschen habe ich einfach nur Ehrfurcht.

Sie erwähnten vorhin New York, wo „21 Bridges“ gedreht wurde und wo Sie selbst leben. Was bedeutet die Stadt für Sie?

Man muss hinzufügen, dass ein Gutteil der Aufnahmen in Philadelphia entstand. Die Menschen in New York scheren sich nicht um Drehteams, deshalb ist es ein Albtraum, dort zu filmen. Doch es ist gleichzeitig extrem aufregend, dort zu leben. Es gibt in New York eine raue Wirklichkeit, dank der sich das Leben einfach authentischer anfühlt. Und wir haben dort unglaubliche Museen und Galerien und Parks. Da gibt es ständig etwas zu unternehmen. Aus dem Grund mag ich es auch, meine Tochter dort aufzuziehen.

Doch das klingt auch etwas anstrengend.

Ist es auch. Mir ist zum Glück nie etwas passiert, aber du hörst ständig irgendwelche Sirenen. Und ab und zu brauche ich definitiv eine Pause. Deshalb ziehe ich mich mit meiner Tochter ab und zu aus Manhattan zurück aufs Land nach England. Dort bin ich auch aufgewachsen. Ohne diese Balance ginge es nicht. Und ich gebe zu, diese Ruheeinheiten habe ich mehr und mehr nötig.

Zumal Sie eine sieben Jahre alte Tochter großziehen. Wie schwer lässt sich das mit Ihren künstlerischen Bedürfnissen in Einklang bringen?

Es ist schon manchmal ein Kampf, meine kreativen Wünsche zu erfüllen und für meine Kleine da zu sein. Andererseits gibt es längere Phasen, in denen ich nicht arbeite, und es ist immer hilfreich, wenn ich Filme wie „21 Bridges“ quasi vor meiner Haustür drehen kann. Lange Reisen wären ein Problem. Doch wenn es um eine ganz außerordentliche Rolle geht, wird sich schon irgendeine Lösung finden. Und davon abgesehen: Es gibt nichts Schöneres, als mit meiner Tochter zusammen zu sein. Hier spüre ich wahres Glück.