Ulm. Eine Krankenschwester wurde verdächtigt, mehreren Neugeborenen Morphium verabreicht zu haben. Nun kam die Frau aus der U-Haft frei.

Es ist ein schrecklicher Verdacht: Am Universitätsklinikum Ulm sollen mehrere Frühgeborene in Lebensgefahr gebracht worden sein, weil ihnen ohne jede medizinische Notwendigkeit Morphium verabreicht worden sein soll. Ein erster Verdacht fiel auf eine Krankenschwester, es wurde Haftbefehl erlassen. Nun aber scheint sich der Verdacht nicht erhärtet zu haben. Nach dpa-Informationen ist die Frau am Montag aus der Untersuchungshaft entlassen und der Haftbefehl gegen sie aufgehoben worden. Die Gründe wurden zunächst nicht bekannt.

Ermittler hatten im Krankenhaus-Spind der Frau eine Spritze mit Muttermilch und Morphium entdeckt. Die Frau bestritt den Tatvorwurf. Ein mögliches Motiv konnten die Ermittler ebenfalls nicht erkennen.

Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember 2019, hatten fünf Neugeborene in der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendmedizin nahezu gleichzeitig an lebensbedrohlichen Atemproblemen gelitten. Nur das schnelle Eingreifen des Personals rette den Babys das Leben.

Füllte Krankenschwester in Ulm Morphium und Muttermilch in Spritze?

Laut Polizei und Staatsanwaltschaft vermutete das Krankenhaus zunächst eine Infektion als Ursache. Doch Tests von Urinproben der Kinder schlossen das aus. Die Proben wiesen jedoch Rückstände des starken Schmerzmittels Morphium auf, obwohl zumindest zwei der betroffenen Kinder gar keines erhalten sollten. Daraufhin alarmierte die Leitung vor rund zehn Tagen die Polizei.

Ermittler hatten am vergangenen Dienstag Räumlichkeiten von Mitarbeitern durchsucht, die im fraglichen Zeitraum Dienst auf der Frühgeborenen-Station hatten. Damals hieß es unter anderem, es müsse auch noch geklärt werden, ob durch das Ablegen der Spritze im Spind der zunächst verdächtigen Krankenschwester eine falsche Spur gelegt worden sein könnte.

Uni-Klinik: Es wurde „mit krimineller Energie ein Verbrechen verübt“

Die Universitätsklinik in Ulm reagierte bestürzt auf den Vorfall. „Wir müssen davon ausgehen, dass hier mit krimineller Energie ein Verbrechen verübt wurde“, sagte der ärztliche Direktor der Kinderklinik, Klaus-Michael Debatin, am Donnerstag.

„Wir bedauern es sehr, dass es zu einem solchen Zwischenfall gekommen ist, und entschuldigen uns ausdrücklich bei den Eltern und Kindern dafür“, erklärte am Mittwoch der Leitende Ärztliche Direktor, Professor Udo Kaisers. Die Ärzte gehen davon aus, dass die Verabreichung des Morphins für die Kinder weitgehend folgenlos bleibt.

Morphium – ein Schmerz- und Beruhigungsmittel

Morphium ist ein stark wirkendes Opiat gegen Schmerzen. Es wird allerdings auch als Beruhigungsmittel eingesetzt. Auf der Neugeborenenstation in Ulm wird das Rauschgift nach Angaben der Ermittler beispielsweise bei Säuglingen drogenabhängiger Mütter benutzt, um Entzugserscheinungen nach der Geburt abzumildern. Bei einer Überdosierung kann das Atemzentrum gelähmt werden.

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(amw/afp/br/dpa)