Berlin. Kurz vor einem Zusammenbruch nahm sich Zellweger eine Auszeit. Nun, ein paar Jahre später, hat der sie einen Golden Globe gewonnen.

Als Renée Zellweger nach ihrer Hollywoodpause 2016 wieder vor die Kamera zurückkehrte, hatten sie viele abgeschrieben. Ein Fehler. Denn für ihren Rolle als Judy Garland hat die 50-Jährige jetzt den Golden Globe als beste Schauspielerin bekommen. Doch die Oscarkandidatin ist so geerdet und unbefangen, als würde sie dieser Zirkus überhaupt nicht berühren.

Können Sie eigentlich „Over the Rainbow“ noch hören?

Renée Zellweger: Und ob, natürlich. Dieser Song begleitet mich seit meiner Kindheit. Und er wird es mein Lebtag lang tun. Judy Garland berührt mein Herz mit ihrer Musik und ihrer Stimme, weil sie ganz offensichtlich im Innersten versteht, was sie da singt. Sie hat den Text dieses Lieds gewissermaßen gelebt.

Und deshalb wollten Sie diesen Song und andere Klassiker aus ihrem Œuvre in „Judy“ live darbieten?

Im Gegenteil. Ich hatte gar keine Ahnung, dass ein Normalsterblicher dazu fähig war. Aber der Regisseur bestand darauf. Ich hatte noch nie vor Publikum gesungen, deshalb versuchte ich ihn davon abzubringen. Aber er meinte, dass Playback nicht funktionieren würde. Und so gab ich nach. Doch ich brauchte dafür viel Hilfe. Und es dauerte lange, bis ich mir diese Songs erarbeitet hatte.

Sie sprachen davon, dass Judy Garland den Text dieser Lieder gelebt hätte. Heißt das, dass Sie ähnliche Tiefen durchgemacht haben?

Es wäre unfair, mich mit ihr zu vergleichen. Sie hatte mit ganz anderen Umständen zu kämpfen. Man hat sie in Hollywood als kleines Mädchen indoktriniert, was sie zu tun und zu lassen hatte. Da blieb ihr gar nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Und wenn sie sich dagegen gewehrt hätte, hätte sie entsprechende Repressalien erdulden müssen.

 Renee Zellweger.
Renee Zellweger. © AFP | Frederic J. Brown

Das heißt, Sie sind froh, dass Sie nicht im Studiosystem von damals arbeiten mussten?

So könnte man das ausdrücken. Missbrauch und Ausbeutung lassen sich nicht mehr so leicht vertuschen wie seinerzeit. Whistleblower werden in Hollywood nicht mehr diskreditiert. Und ich kann meine Karriere mit bestimmen, man schätzt meine berufliche Erfahrung, weil ich als Frau heutzutage eben viel mehr Einflussmöglichkeiten habe, um mein Leben zu steuern. Und weiß auch, was mir schlecht tut – ich würde nie und nimmer die ganzen Chemikalien einnehmen, mit denen sich Judy Garland vollgestopft hat, um mit all dem Stress fertig zu werden.

Sie haben sich ja vor ein paar Jahren eine Auszeit genommen, als Sie zusammenzubrechen drohten.

Richtig. Und auch weil ich nach dieser ganzen Ochsentour meines Jobs begriff: Es ist Zeit, dass sich was ändert. Ich muss mein Leben neu verhandeln. Ich will neue Dinge außerhalb meines Berufs kennenlernen. Ich will mit Menschen authentisch kommunizieren und nicht wie ein Hollywoodstar behandelt werden.

Als Sie noch am Anfang standen und kein Hollywoodstar waren, mussten Sie in billigen Horrorstreifen wie „Texas Chainsaw Massacre – Die Rückkehr“ mitspielen. War das wirklich so erstrebenswert?

Ich war im siebten Himmel, weil jemand so töricht war, mir meine erste Hauptrolle zu geben. Ich konnte es gar nicht glauben. Sieben Tage die Woche durfte ich am Set sein und ich wurde sogar noch dafür bezahlt. 400 Dollar die Woche. Heureka! Das war ein Wendepunkt für mich, genauso wie mein erster Werbespot schon ein Wendepunkt war.

Das heißt, Sie waren froh wegen des Geldes?

Mir ging es nie darum.

Das sagt sich so leicht.

Glauben Sie mir, ich war auch glücklich, als ich noch in einer winzigen Wohnung in Los Angeles lebte. Sie war so klein, dass es eigentlich ein Witz war. Aber ich mochte die Gegend, meine Nachbarn waren ein Lehrer und ein Autor, was ich auch sehr sympathisch fand. Ich habe das eigenhändig renoviert, habe Tapeten und Hartholzverkleidung ersetzt. Jeden einzelnen Nagel habe ich dabei rausgezogen. Für mich bedeutet Geld nur, dass ich kreative Freiheiten habe und nicht jedes Projekt annehmen muss.

Und was brauchen Sie jetzt zum Glücklichsein?

Beziehungen zu anderen Menschen, die sind mir das Wichtigste überhaupt. Ich habe eine wunderbare Familie und Freunde, Nichten, Neffen und Patenkinder. Ich mag es total, Leute kennenzulernen. Ich liebe zum Beispiel intensive Unterhaltungen. Wobei es nur ganz wenige enge Freunde gibt, die mich auch wirklich gut kennen. Bei denen hatte ich einfach das Gefühl: Ich muss dich adoptieren.

Ein Oscar für „Judy“ könnte aber auch Glückshormone auslösen – oder nicht?

Den brauche ich nicht mehr. Mit diesem Film wurden so viele Träume wahr, dass ich dabei alles bekommen habe, was ich brauche. Abgesehen davon: Ich habe sowieso keine Kontrolle darüber. Sollen sich andere Leute darüber den Kopf zerbrechen.

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