Münster. Thiel und Boerne ermitteln gegen „Väterchen Frost“. Der Weihnachts-Tatort 2019 kommt aus Münster. Lohnt er sich?

Wie die lieben Verwandten: Erst lassen sie sich monatelang nicht sehen, dann kommen sie – vor den Feiertagen – innerhalb kurzer Zeit gleich zweimal. Nur wenige Wochen nach dem „Lakritz“-Fall kehren Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) auf den Bildschirm zurück. Mitgebracht haben sie in ihrem 36. Fall „Väterchen Frost“. Man ahnt, Russland spielt in dieser Folge eine gewisse Rolle.

Das gibt es selten, dass eine Tatort-Episode damit anfängt, dass der Fall anscheinend gelöst ist. Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) jedenfalls ist schon beim Schlussplädoyer im Prozess gegen den Russen Kirill Gromow (Oleg Tikhomirov), da vertagt sich das von einer Grippewelle geplagte Gericht. Für Frau Staatsanwältin kein Grund, an der Schuld des Angeklagten zu zweifeln, schließlich hat Professor Boerne höchstpersönlich nachgewiesen, dass es die Hände des jungen Mannes waren, mit denen das Opfer erwürgt worden ist. Und ein Boerne irrt sich schließlich nicht. Oder doch?

Entführt von einem Weihnachtsmann

Die Ermittler wollen sich jedenfalls gerade in die Feiertage verabschieden, da wird die Sache persönlich. Denn unmittelbar vor Heiligabend wird Kommissarin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) entführt – von einem Kerl im Weihnachtsmann-Kostüm. Was die Täterbeschreibung zwar einfacher, die Fahndung selber allerdings schwieriger macht. Zumal der Entführer kein Geld von Thiel und Boerne verlangt, sondern eine Wiederaufnahme der Ermittlungen im Fall Gromow. Aber bitte ohne die übrige Polizei einzuschalten. Sonst werde man Nadeshda nur in Einzelteilen wiedersehen. Eine Drohung, die Thiel immer wieder schreckliche, visuell wirr in Szene gesetzte Alpträume beschert.

Auf zum Weihnachtsmarkt: Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann, Mitte) überredet Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, links) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) noch zu einem Glas Glühwein.
Auf zum Weihnachtsmarkt: Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann, Mitte) überredet Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, links) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) noch zu einem Glas Glühwein. © WDR/Martin Valentin Menke | Handout

Das klingt jetzt allerdings härter, als es ist. Denn das ist ja der Tatort aus Münster, nicht das Schweigen der Lämmer. Und schon bald zeigt sich auch, dass der Entführer ein ähnliches Gefahrenpotenzial hat wie Micky Maus. Immerhin: Angetrieben von der Sorge um die Kollegin greift das ungleiche Duo den Fall klammheimlich noch einmal auf und stößt bald auf eine neue Spur. Die führt in ein Juweliergeschäft und zum mysteriösen Jörn Weig, herrlich diabolisch gespielt vom Ex-„Blechtrommel“-Star David Bennent.

Fall verkommt nicht zu schmückendem Beiwerk

Bis zum Finale in einer alten Mühle bleibt Thiel und Boerne wieder einmal ausreichend Zeit für die üblichen Frotzeleien und den einen oder anderen Kalauer. Letztere waren zwischenzeitlich schon mal schlechter, und überhaupt verkommt der Fall nicht völlig zum Beiwerk. Wenn da nur nicht die recht unglaubwürdigen Szenen zwischen der entführten Polizistin mit russischen Wurzeln und ihrem Entführer wären.

Natürlich weiß der Zuschauer viel früher als die Ermittler, wer der wirklich Böse ist. Das tut der Spannung aber fast keinen Abbruch. Denn wie der Kommissar und sein Rechtsmediziner die Kollegin in letzter Sekunde retten, ist tatsächlich ein wenig ungewöhnlich. Am Ende dann entschwinden Thiel und Boerne in die Nacht. Und das machen sie so harmonisch, dass man fast fürchtet, das Drehbuch könnte sie zu Freunden machen. Bis einem einfällt: Ist ja bald Weihnachten. Und ein wenig zollt diese Folge dem Fest auch Tribut. Etwas harmlos, aber ganz unterhaltsam. So wie die Zuschauer es gerne haben, wenn der Tatort aus Münster kommt.

  • „Tatort: Väterchen Frost“, 22. Dezember, ARD, 20.15 Uhr