Berlin. Edward Norton stand für „Motherless Brooklyn“ vor und hinter der Kamera. Hier spricht er über Familie, Freizeit und Bruce Springsteen.

Edward Norton („Fight Club“) gilt als Schauspieler mit hohen kreativen Ambitionen. Deshalb inszeniert er auch als Regisseur vielschichtige Gangsterepen wie „Motherless Brooklyn“. Doch der 50-jährige hat auch ganz andere Passionen: Ein Gespräch über sein Ringen um mehr Freizeit, seine Opfer für die Familie und die Leidenschaft für Bruce Springsteen.

Sie haben die Verfilmungsrechte von „Motherless Brooklyn“ schon vor 20 Jahren erworben, und erst jetzt kommt Ihre Adaption in die Kinos. Ist das nicht deprimierend?

Edward Norton: Nein, absolut nicht. Denn ich bin seither reifer geworden, ich habe einen klareren Blick auf das Material bekommen – und durch meine Arbeit mit großen Regisseuren habe ich Grundlegendes gelernt, um so einen Film mit begrenzten Mitteln überhaupt auf die Beine stellen zu können. Abgesehen davon sind die Themen des Buchs aktueller denn je: Nämlich, dass es Menschen mit Macht gibt, deren korrupte Handlungen wir nicht tolerieren dürfen.

In den USA gibt es ja einen prominenten Fall. Haben Sie Hoffnung, dass es gelingt, diesen Machtmissbrauch zu stoppen?

Norton: Ich habe Hoffnung, aber ich würde keine Vorhersagen wagen wollen. Ich beschäftige mich viel mit Geschichte, und wenn du im Kontext von historischen Zusammenhängen denkst, dann regt dich die Gegenwart zum Glück nicht mehr so schnell auf.

Allerdings ist die Gegenwart im Filmgeschäft auch nicht so erfreulich. Ein komplexes Gangsterdrama wie „Motherless Brooklyn“ hat es im Zeitalter der Superhelden ein wenig schwer.

Norton:Früher war die Situation im Filmgeschäft auch nicht unbedingt besser. Ja, wir leben in einer Welt, wo Filme, die keine Blockbuster sind, sich schwer tun, ihr Publikum im Kino zu finden. Weil sie gar nicht mehr die Zeit dafür bekommen. Aber wir haben neue Plattformen. Das Kino ist eben nicht das einzige Medium, um Geschichten zu erzählen. Heutzutage gibt es dafür mehr Möglichkeiten als jemals in der Geschichte der Welt. Ich habe deshalb keine negativen Gedanken.

Und was ist, wenn Sie die doch mal haben?

Norton: Bruce Springsteen hat mir einen Brief mit seiner Reaktion zu „Motherless Brooklyn“ gemailt. Den habe ich mir ausgedruckt und in eine Schublade gelegt. Wenn ich mich mal schlecht fühle, brauche ich den bloß anzuschauen.

Sie sind ein richtiger Fan, der sich auf seinen Konzerten in die Menge der Fans stürzt?

Norton:Wenn ich mit Leuten unterwegs bin, die so unverbesserlich sind wie ich, ja. Dann sehe ich zu, dass ich so nahe an die Bühne herankomme wie möglich.

Was bedeutet er Ihnen?

Norton:Ich bin einfach erstaunt, wie er sich mit ungebrochener Energie selbst hinterfragt und mit diesen Selbstbetrachtungen eine Verbindung zu seinem Publikum aufbaut. In seiner Show am Broadway hat er auf die Magie seiner Konzerte und die Maske des Sängers verzichtet, um völlig unmittelbar über sein Leben und die Sterblichkeit zu reflektieren. Ich habe noch nie einen Künstler seines Status gesehen, der so etwas vollbracht hätte.

Allerdings dürften Sie nicht so viel Zeit haben, um auf seine Konzerte zu gehen. Sie sind schließlich viel beschäftigter Schauspieler, Regisseur, haben auch einen sechsjährigen Sohn...

Norton:Auf die nächste Tour freue ich mich schon. Bei einem Bier hat er mir schon was dazu erzählt. Und wenn ich aus der Werbemaschinerie von „Motherless Brooklyn“ entkommen bin, möchte ich meine Arbeit einschränken. Ich habe viel zu viel am Kochen. Ich brauche wesentlich mehr Zeit fürs Nachdenken.

Schränken Sie ihre kreativen Ambitionen zugunsten Ihres Sohnes ein?

Norton:Nein, nein. Ich brauche nur eine bessere Balance. Wenn du eine Familie hast, findest du immer Zeit für die Arbeit, die für dich wirklich wichtig ist. Aber es gibt genügend andere Dinge, die nicht so essentiell sind, und die verschwinden dann einfach.

Was ist denn aus Ihrem Leben verschwunden?

Norton:Jeder, der Kinder hat, wird Ihnen sagen, dass sich das soziale Leben verändert. Aber ich gebe zu, das kann auch mal ein Kampf sein. Früher habe ich viele Bücher gelesen – ganz viele. Und jetzt beschränke ich mich wegen meines Sohnes auf Roald Dahl. Der macht aber auch Spaß.