Wiesbaden/Frankfurt/Main. Die Polizei hat Verdächtige in mehreren Fällen von Kinderpornografie gefasst. Die Verdächtigen sind dabei zum Teil selbst noch Kinder.

Es ist ein extrem besorgniserregender Trend – der nun das Bundeskriminalamt beschäftigt: Immer mehr Kinder und Jugendliche verbreiten kinderpornografische Inhalte. Dafür nutzen sie in der Regel soziale Netzwerke, und dies besonders auf dem Smartphone.

Das BKA berichtet, dass das leichtfertige Verbreiten der illegalen Inhalte in der jüngsten Vergangenheit spürbar zugenommen hat. Demnach stellten die Sicherheitsbehörden seit zweieinhalb Jahren fest, dass Kinder und junge Heranwachsende vermehrt eindeutig kinderpornografische Inhalte über Soziale Netzwerke teilen und weiterleiten würden.

Am vergangenen Freitag war bekannt geworden, dass die Sicherheitsbehörden wegen des Verdachts der Weiterleitung von Bildern und Videos, die teils schwere sexuelle Gewalt gegen Kinder zeigen, in elf Bundesländern Wohnungen von Tatverdächtigen durchsucht hatten. Eines der weiterverbreiteten Videos zeige die Vergewaltigung eines Kindes durch zwei Jugendliche in einem Steinbruch mutmaßlich in Afghanistan.

Die 21 Verdächtigen im Alter zwischen 14 und 26 Jahren sollen diese Art von Videos über soziale Netzwerke verbreitet haben. Vier Verdächtige sind aus Hessen. „Im Zuge dieser Durchsuchungen konnten wir zahlreiche Beweismittel insbesondere Smartphones, Tablets, Computer und Datenträger sicherstellen“, sagte der Sprecher der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, Christian Hartwig.

Kinderpornos: Missbrauchsbeauftragter sieht Schulen in Pflicht

„Wir gehen davon aus, dass dieses Material entweder weitergeleitet wird, weil man unreflektiert damit umgeht, oder weil man es aus Neugier heraus tut“, sagte Vogt. Bei der Vernehmung hätten sich die Tatverdächtigen oft verwundert gezeigt. Sie seien sich demnach gar nicht bewusst gewesen, dass ein strafbares Handeln vorliege, sagte Vogt. Dem soll nun mit mehr Präventionsarbeit entgegengewirkt werden.

Angesichts der Ermittlungen äußerte sich der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Er plädiert für die Einführung eines Pflichtfachs „Medienkompetenz“ an Schulen. Bundesweit sollte jenes entweder von der ersten bis zur zehnten Klasse eingeführt werden, „oder querschnittlich in allen relevanten Fächern vermittelt werden, dass grundlegende Werte wie Menschlichkeit und Respekt auch in der digitalen Welt gelten“, forderte Rörig.

Dass hier in verstärktem Maße auch Kinder und Jugendliche aktiv werden, zeuge laut Rörig „von mangelnder Reflektionsfähigkeit der Minderjährigen und macht deutlich, dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit digitalen Medien offensichtlich nur ungenügend vermittelt wird.“

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Medienexpertin: Eltern müssen auf Verhalten im Netz achten

Experten sehen auch Eltern in der Pflicht. „Kinder surfen vielleicht noch unter Aufsicht – doch spätestens mit der Pubertät haben sie im Internet ihre eigene Welt. Das ist auch erst einmal nicht schlecht“, sagt Kristin Langer, Mediencoach bei der Initiative „Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht“. „Teenager erschließen sich Freiräume“, sagt sie. „Aber das hat natürlich Grenzen.“

Das empfiehlt die Experten:

  • „Eltern müssen dranbleiben“, sagt Langer. Das bedeutet zwar nicht, dass man jedes populäre Youtube-Video und jeden Social-Media-Trend kennen muss. Aber auch bei 14- oder 16-Jährigen sollten Eltern wenigstens grob wissen, was die Kinder im Internet tun, und mit wem sie dort Kontakt haben.
  • Was nicht bedeutet, dass man alles toll finden muss, was im Netz so passiert: „Manches ist natürlich Geschmackssache“, sagt Langer. „Aber es gibt eben ethische Werte, die nicht verhandelbar sind - zum Beispiel, dass die Persönlichkeit anderer unantastbar ist.“
  • Der beste Weg zu einem solchen Umgang mit Medien und dem Internet führt weniger über Strafen und Kontrolle, sondern über Haltung und Vertrauen. „Jugendliche wollen nicht wie Kinder behandelt werden“, sagt Langer.
  • „Das bedeutet dann aber auch, dass Eltern gewisse Erwartungen haben dürfen - dass Teens wissen, wo die Grenzen sind, dass sie die Konsequenzen ihrer Handlungen einschätzen können.“

Damit Kinder das können, rät Langer dazu, aktuelle Fälle wie die BKA-Warnung vor dem Teilen kinderpornografischer Inhalte zu nutzen. Nicht als Anlass zur Kontrolle, sondern als Aufhänger für ein Gespräch. Hier haben Eltern die Gelegenheit, eine Haltung zu demonstrieren. Und Jugendliche können vielleicht sagen, wenn sie etwas bedrückt - ohne dass die Eltern gleich in Panik verfallen und schimpfen. „Unsere Kinder sollten wissen, dass sie immer mit etwas zu uns kommen können.“

21 Verdächtige – aus fast allen Bundesländern

Je vier der 21 Verdächtigen im aktuellen Fall leben nach Angaben der Ermittler in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Je zwei Tatverdächtige stammen aus Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen und je einer aus Rheinland-Pfalz, Bayern, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

Die bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt angesiedelte Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) verfolgt Internetstraftaten bei noch ungeklärter Zuständigkeit in Deutschland und bei Massenverfahren. Sie ist erster Ansprechpartner des BKA in Wiesbaden.

In den vergangen Monaten hatten Ermittler immer wieder beobachtet, dass Minderjährige häufig Täter sind, wenn Kinderpornos unter Schülern geteilt werden. An die Erkenntnis hat sich auch eine Diskussion angeschlossen. Wenn Kinderpornos in Klassen-Chats geteilt werden, hilft dann ein Handy-Verbot? (dpa/ac/ses))