Detmold. Der Prozess um mehrere hundert Missbrauchsfälle in Lügde neigt sich dem Ende zu. Nun haben die Verteidiger ihre Plädoyers gehalten.

Im Prozess um die Missbrauchsfälle auf einem Campingplatz in Lügde hat der Verteidiger des Hauptangeklagten sein Plädoyers gehalten. Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft äußerte er sich zu einem Punkt allerdings nicht.

Der Verteidiger des Hauptverdächtigen Andreas V. forderte eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren für seinen Mandanten. Zu einer anschließenden Sicherungsverwahrung äußerte er sich jedoch nicht.

Der Vertreter des zweiten Angeklagten, Mario S., stellte keinen konkreten Strafantrag vor dem Landgericht Detmold. Er habe angesichts des Geständnisses seines Mandanten um ein „möglichst großes vertretbares Entgegenkommen“ gebeten, berichtete Anwalt Jürgen Bogner. Der Verteidiger rechnet mit einem Urteil, „bei dem wir uns im zweistelligen Bereich bewegen werden.“ Die Anklage fordert, dass die Verdächtigen nach einer Haftstrafe in Sicherungsverwahrung und damit lebenslang eingesperrt bleiben.

Fall Lügde: Hundertfacher Missbrauch vermutet

Andreas V. (56) und Mario S. (34) hatten beide bereits am ersten Verhandlungstag Ende Juni gestanden. Ihnen wird vorgeworfen, über viele Jahre hinweg vor allem auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde an der Grenze zu Niedersachsen in mehreren hundert Fällen Jungen und Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Verteidiger Salmen sagte, er halte eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren für angemessen, da sein Mandant mit seinem frühen Geständnis Opfern erspart habe, vor Gericht als Zeugen auszusagen.

„Das Geständnis zeigt auch, dass er sich mit den Taten auseinandergesetzt hat“, betonte Salmen. Andreas V. habe sich dem Prozess auch trotz seiner zwischenzeitlichen Gürtelrose-Erkrankung weiter gestellt. Er habe seinem Mandanten deutlich gemacht, dass Sicherungsverwahrung für ihn „im Raum steht“. Verteidiger Bogner sagte, er gehe davon aus, dass beide Angeklagten im Anschluss an ihre Haftstrafen in Sicherungsverwahrung kommen werden. Das heißt, dass sie zunächst unbegrenzt in Haft bleiben - bis sie irgendwann gegebenenfalls nicht mehr als Gefahr für die Öffentlichkeit gelten.

Urteil im Fall Lügde soll in der kommenden Woche fallen

Am 5. September will die Vorsitzende Richterin Anke Grudda das Urteil verkünden. Die Staatsanwaltschaft hatte für Andreas V. 14 Jahre Haft und für Mario S. zwölf Jahre und sechs Monate gefordert - und im Anschluss Sicherungsverwahrung für beide Männer. Dabei wurden die Geständnisse strafmildernd berücksichtigt und ebenso die Tatsache, dass die beiden Angeklagten nicht vorbestraft sind.

Die Psychiaterin Martina Miller hatte Andreas V. aus Lügde und Mario S. aus Steinheim als voll schuldfähig eingestuft. Beiden bescheinigte sie eine „tief verwurzelte Neigung“ für den Missbrauch von Kindern. Es sei von einer hohen Rückfallgefahr auszugehen. Andreas V. werden fast 300 Straftaten, Mario S. rund 160 Straftaten vorgeworfen, darunter auch Vergewaltigungen. Viele Gewalttaten filmten die Männer der Anklage zufolge. Ihre jüngsten Opfer waren im Kindergartenalter.

Am letzten Verhandlungstag ließen beide Angeklagten die Gelegenheit zu einem letzten Wort ungenutzt, blieben stumm. Nebenklage-Vertreter beantragen in ihren Schlussworten zum Teil Strafen, die über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinausgingen.

Mitte Juli hatte es bereits im Missbrauchsfall von Lügde ein erstes Urteil gegeben. Der 49-jährige Angeklagte Heiko V. bekam eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Er hatte ein Geständnis abgelegt. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Revision ein.