Berlin. Die „Werwolf-Kinder“ von Spanien: Wegen eines Produktionsfehlers einer Medikamenten-Firma wachsen Kindern derzeit extrem viele Haare.

In den spanischen Medien wird schon von der „Werwolf-Krankheit“ gesprochen, mindestens 17 Kinder sind von der Nebenwirkung eines falschen Medikamentes betroffen: Die Einnahme eines bestimmten Mittels lässt bei den Konsumenten den Haarwuchs rapide zunehmen. Folge im aktuellen Fall: Kleine Kinder, auch Babys, mit besonders vielen Haaren auf Gesicht, Rücken und anderen Körperstellen.

„Mein Sohn bekam überall viele Haare, an der Stirn, an den Backen, an Armen und Beinen, an den Händen ... er hatte die Augenbrauen eines Erwachsenen. Das hat uns viel Angst bereitet, weil man ja nicht wusste, was los war“, wurde Ángela Selles aus Granada von „El País“ zitiert. Ihr Sohn Uriel sei nur sechs Monate alt gewesen, als der ungewöhnlich starke Haarwuchs anfing, hieß es.

In der Medizin ist bei dem besonders starken Haarwuchs von Hypertrichose die Rede. Das kann auch ohne jeglichen Einfluss von außen auftreten.

Die „Werwolfskinder“ von Spanien – das ist passiert

  • Das Unternehmen Farma-Química Sur habe aufgrund eines internen Fehlers einige Posten des Blutdruckmedikaments Minoxidil, das auch gegen Haarausfall verschrieben wird, als Magen-Darm-Wirkstoff Omeprazol gekennzeichnet und auf den Markt gebracht, erklärten die spanischen Gesundheitsbehörden
  • Nachdem der erste Fall im April bekannt geworden war, nahm sich die Arzneimittelbehörde AEMPS der Sache an
  • Sie kam der Ursache auf den Grund und ordnete Anfang August an, dass alle falsch gekennzeichneten Medikamente vom Markt genommen werden
  • Die Fabrik von Farma-Química Sur in Málaga wurde zudem wegen „schwerer Nichteinhaltung der Kontrollregeln“ für unbestimmte Zeit geschlossen

Die 17 bisher bekannten Fälle wurden in den Regionen Kantabrien, Andalusien und Valencia registriert. Es kann allerdings mehr Betroffene geben, denn ungeachtet der seit Monaten laufenden Untersuchungen der Gesundheitsbehörden wurde erst am Dienstag in Granada im Süden des Landes ein weiterer Fall bekannt. Die Staatsanwaltschaft in Kantabrien nahm bereits Ermittlungen auf.

Bisher waren Kinder nie solchen Mengen des Wirkstoffs ausgesetzt

Unter Berufung auf Experten schrieb „El País“: „Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur keine Fälle von so kleinen Kindern, die solche Mengen Minoxidil eingenommen haben.“

Betroffene Eltern erklärten gegenüber „El País“, nach Absetzung des falschen Medikaments gehe der Haarwuchs langsam zurück. „Die Haare fallen aber sehr langsam ab, der Arzt meinte, es könne Monate dauern, bis es wieder normal ist“, sagte eine Mutter, die ihrem Baby monatelang unwissentlich das falsche Medikament gegen Sodbrennen gegeben hatte.

Auch wenn bei Minoxidil verschiedene Nebenwirkungen auftreten können, müssen sich die Eltern nach Angaben von Behörden und Ärzten im Prinzip keine großen Sorgen wegen dauerhafter Schäden machen.

Hypertrichose kann auch durch einen Gendefekt eintreten

Die von Hypertrichose betroffenen Personen werden im Volksmund auch „Wolfsmenschen“ genannt. Die Überbehaarung kann durch Gendefekte angeboren sein, was sehr selten vorkommt, aber auch von Medikamenten wie Minoxidil ausgelöst werden.

Kürzlich kam es in Südspanien zu einem Listeriose-Ausbruch, die Regierung sprach eine Warnung auch für Touristen aus. (dpa/ses)