Luxemburg/Essen. 2012 hat die WAZ militärische Lageberichte über den Afghanistan-Einsatz veröffentlicht. Der EuGH stärkte nun die Pressefreiheit.

Als Ende 2012 die Rechercheredaktion der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ), die zur Funke Mediengruppe gehört, die sogenannten Afghanistan-Papiere ins Netz stellte, war absehbar, dass dies der Bundesregierung nicht gefallen würde.

Die Papiere enthielten Lageberichte der niedrigsten Geheimhaltungsstufe („unter Verschluss“) über den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch und über andere Einsätze der deutschen Streitkräfte im Ausland. Insgesamt umfassten sie mehr als 5000 Seiten, die aus den Jahren 2005 bis 2012 stammten.

Bundesregierung verklagte Funke Mediengruppe

Tatsächlich ging die Bundesregierung gegen die Veröffentlichung der Papiere vor. Sie verklagte Funke zwar nicht wegen Geheimnisverrats, dafür aber wegen Verletzung des Urheberrechts. Das Oberlandesgericht Köln gab der Regierung recht: Die WAZ musste die Papiere im August 2015 aus dem Netz nehmen. Der Verlag gab sich aber nicht geschlagen und legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, der die Angelegenheit an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verwies.

Bereits im Oktober 2018 hatte der europäische Generalanwalt Maciej Szpunar bezweifelt, dass einfache militärische Lageberichte nach EU-Recht urheberrechtlich geschützt seien. Bei ihnen handele es sich um reine Informationsdokumente, die in einer neutralen und standardisierten Sprache verfasst seien.

EuGH verweist den Fall zurück nach Deutschland

Dieser Argumentation hat sich der EuGH nun in Teilen angeschlossen. In seinem Urteil verweist er die Sache an den BGH zurück. „Es ist Sache des nationalen Gerichts zu klären, ob militärische Lageberichte (...) als ‚Werke‘ (...) einzustufen sind und damit urheberrechtlich geschützt sein können“, heißt es in dem Urteil.

Die europäischen Richter geben ihren deutschen Kollegen eine Richtschnur an die Hand, ab welcher Gestaltungshöhe das Urheberrecht greift: „Damit eine geistige Schöpfung als eine eigene des Urhebers angesehen werden kann, muss darin seine Persönlichkeit zum Ausdruck kommen“, stellen sie fest.

EuGH: Berichterstattung über Tagesereignisse keine Verletzung des Urheberrechts

Dass dies auf die von der WAZ publizierten Lageberichte zutrifft, darf bezweifelt werden. Selbst wenn der BGH zu der Auffassung gelangt, in den Berichten käme die „Persönlichkeit“ ihrer Urheber zum Ausdruck, wäre deren Veröffentlichung wohl dennoch rechtmäßig. Laut den Luxemburger Richtern ist die Berichterstattung über Tagesereignisse keine Verletzung des Urheberrechts.

Ein Funke-Sprecher begrüßte die EuGH-Entscheidung prinzipiell. Er bedauerte zugleich, dass die Richter „hinter den Schlussanträgen des Generalanwalts zurück“ geblieben seien. „Während der Generalanwalt in den Lageberichten der Bundeswehr schon keine Werke im urheberrechtlichen Sinne gesehen hat, überlässt der EuGH die Klärung dieser Frage den deutschen Gerichten.“

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik an der Bundeswehr-Mission in Afghanistan gegeben: Deutsche Soldaten bleiben noch bis März 2020 in dem Land.