Washington. Emotional Support Animals sind ein Trend in den USA. Die Tiere sollen gegen psychische Probleme helfen. Das ist nicht unkompliziert.

Cindy Torok verstand die Welt nicht mehr, als sie von Orlando heim nach Cleveland fliegen sollte – ohne ihre Daisy auf dem Schoß. Obwohl ihr Psychologe in einem Attest bestätigt hatte, dass gegen die seelischen Verwerfungen seiner Patientin nur Daisys stimmungsaufhellende Präsenz hilft. Die Fluglinie Frontier lehnte die Mitnahme der Eichhörnchen-Dame in der Kabine ab.

Wer weiß, dachte sich vielleicht das Unternehmen, was der Nager aus Langeweile alles anknabbern könnte.

Die schräge Episode ist kein Einzelfall. Immer öfter lassen sich psychisch labile und kranke Amerikaner vom Arzt animalischen Beistand gegen Flugangst, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und andere Gebrechen verordnen.

Emotional Support Animals dürfen umsonst in der Kabine mitfliegen

Was dazu führt, dass plötzlich allerlei unkonventionelles Begleitgetier – nicht zu verwechseln übrigens mit speziell ausgebildeten Blinden- und Therapiehunden – als sogenannte Emotional Support Animals (ESA, ungefähr: Gefühlsunterstützungstiere) bei Start und Landung dabei ist: Truthähne, Hasen, Affen, Pfauen, Kröten.

Dylan Dyke ist 12 und Autist. Ihm helfen Gänse bei der Therapie.
Dylan Dyke ist 12 und Autist. Ihm helfen Gänse bei der Therapie. © picture alliance/AP Photo | dpa Picture-Alliance / Cory Morse

Alles schon da gewesen. Und nicht selten zum Verdruss von ängstlichen Sitznachbarn, Allergikern und Flugbegleiterinnen, die vor dem Abheben noch schnell eine ausgebüxte Katze zwischen den Sitzreihen einfangen müssen. Oder ein kleines Hausschwein, dass sich mitten im Gang entleert.

Berichte über Kurioses im Trost-Tier-Boom lockern zwar regelmäßig die Zeitungsspalten auf, haben aber einen seriösen Hintergrund.

Während funktionslose Haustiere in der Regel ein Ticket für um die 100 Dollar lösen und im Frachtraum transportiert werden müssen, fliegen die ESAs kostenlos in der Kabine mit. Scheinbar amtliche Zertifikate für die Besitzer gibt es für ein paar Dollar im Internet.

National Service Animal Registry, eine Firma, die kommerziell sehr einträglich unterwegs ist, hatte im Jahr 2011 rund 2500 registrierte Tiere. Stand Juni dieses Jahres waren es bereits fast 200.000.

Joie Henney ist mit seinem Alligator überall willkommen

Aus Angst, der Diskriminierung geziehen und mit teuren Schadenersatzklagen überzogen zu werden, verzichteten viele Airlines bisher darauf, die Seriosität der Beglaubigung oder den Nachweis der tierischen Heilkraft sorgfältig zu prüfen.

Inzwischen hat ein Sinneswandel eingesetzt, der mit der Zahl der Tier-Transporte zu erklären ist. American Airlines etwa beförderte zuletzt im Jahr rund 150.000 Emotional Support Animals. Aber nur 50.000 offizielle Blinden- und Therapie-Hunde. Zwischenfälle inklusive.

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Auf einem Delta-Flug biss ein Labrador einem Passagier so übel ins Gesicht, dass der Mann 28-mal genäht werden musste. Konkurrent United Airlines will nur noch Hunde und Katzen als Support Animals akzeptieren.

Unterdessen geht am Boden die Debatte über die Wirksamkeit der ESA-Tiere weiter. Zeitgenossen wie Joie Henney aus York in Pennsylvania schwören zum Beispiel Stein und Bein, dass sie es mit ihren tierischen Freunden gut getroffen haben. Henney, ein Rentner, der früher als Jäger Tiere erlegte, lässt sich seine Depressionen inzwischen von Wally wegatmen – einem 1,50 Meter langen Alligator.