Berlin. Schauspielerin Florence Kasumba über die Neuverfilmung von „Der König der Löwen“ und Identifikationsfiguren mit dunkler Hautfarbe.

Florence Kasumba ist „Tatort“-Kommissarin und Marvel-Heldin, sie spielte Aida im gleichnamigen Musical und leiht ab dem 17. Juli der Hyäne Shenzi in der computeranimierten Neuverfilmung des Disney-Zeichentrickklassikers „Der König der Löwen“ ihre Stimme. Trotzdem sagt die gebürtige Uganderin, die in Essen aufgewachsen ist: In Deutschland gibt es für Kinder mit dunklerer Hautfarbe nicht genug Identifikationsfiguren in Film und Fernsehen.

Wie sie dieses Problem für ihren Sohn und ihre Tochter löst, was sie von Simba und Mufasa gelernt hat und wann ihr nicht nach „Hakuna Matata“ zumute ist, erzählt die 42-jährige Wahlberlinerin im Interview.

Als „Der König der Löwen“ ins Kino kam, waren Sie 18 Jahre alt. Nicht mehr die klassische Zielgruppe. Haben Sie den Film damals trotzdem gesehen und gemocht?

Florence Kasumba: Ich habe den Film ein wenig später gesehen, als Vorbereitung auf das Musical. Ich mochte ihn damals schon, vor allem die Musik. Aber ich gebe zu, ich war noch nicht so begeistert wie heute. Ich denke, das liegt daran, dass ich jetzt als Mensch weiter bin. Es ist für mich nicht einfach ein Kinderfilm, sondern ein Film mit ganz tollen Botschaften. Jeder kann sich etwas daraus mitnehmen.

Was nehmen Sie denn mit?

Kasumba: Ich liebe es, wie Mufasa und Sarabi mit ihrem Kind sprechen. Dass sie versuchen, ihn aufs Leben vorzubereiten, indem sie ihm beibringen, auf ein Gleichgewicht zu achten. Als Simba einen Fehler macht, wird er von seinen Eltern nicht bestraft. Sie setzen sich mit ihm hin und erklären ihm, warum sie Angst um ihn gehabt haben. Das verstehe ich als Mutter von zwei Kindern natürlich ganz anders als damals.

Oder die Frage, wie ich mit Macht umgehe. Mufasa sagt zu Simba: Wenn du über dieses Land regieren wirst, ist es deine Verantwortung, es zu schützen. Das finde ich sehr schön. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, war ich noch viel egoistischer. Damals wollte ich meine Karriere vorantreiben, mich hat nur interessiert, wie ich am besten diese Rolle bekomme.

Haben Sie sich den Film später mit Ihren Kindern angeschaut? Taugt er vielleicht sogar, um ihnen die Botschaften, von denen Sie sprechen, nahe zu bringen?

Kasumba: Absolut. Wenn ich mir den Film mit meinen Kindern ansehe, glaube ich, dass sie verstehen, dass es Menschen gibt, die einen erheben, und solche, die einem nichts Gutes wollen. Dass man sich entscheiden muss, welchen Weg man im Leben gehen möchte. Das können junge Menschen natürlich noch nicht wissen, aber man wächst ja hinein. Oder die Frage, wie wir mit der Natur umgehen.

Auch da bringt Mufasa Simba bei, dass alles im Gleichgewicht sein muss. Wir können nicht rausgehen und machen, was wir wollen, das ist etwas, das Scar nicht begreift. Ich finde, man kann als junger Mensch sehr viel aus diesem Film lernen. Und wenn es nur das ist: Hör auf das, was deine Eltern sagen (lacht). Aber natürlich können meine Kinder auch die Songs auswendig. Offenbar haben wir ihn oft gesehen.

Gibt es einen Film, der Ihre Kindheit entscheidend geprägt hat?

Kasumba: Für mich war das eher ein Musical. Als ich zum ersten Mal „Starlight Express“ in Bochum gesehen habe, habe ich all diese athletischen Menschen sehr bewundert. Dazu hatten viele von ihnen die gleiche Hautfarbe wie ich. Das gab es in meinem Alltag kaum. Ich bin in Essen aufgewachsen. Die einzigen Menschen, die ich kannte, die so aussahen wie ich, waren meine Familie. Ich war damals zwölf und das war der Moment, in dem ich wusste: Ich will zum Musical. Weil ich auf einmal so etwas wie einen Spiegel vor mir hatte. Das war der Anfang von allem.

Gibt es aktuell in Filmen genug starke Vorbilder für Mädchen oder alle Kinder, die anders sind als der Mainstream?

Kasumba: Ich finde, ich habe zuletzt viele Rollen gespielt, die man früher nicht mit meinem Typ besetzt hat. Natürlich gab es auch schon früher starke „Tatort“-Kommissarinnen, aber wir haben heute als Frauen mehr Möglichkeiten – man traut uns mehr zu.

Vor einiger Zeit wurde ich für eine Rolle engagiert, die eigentlich für einen Mann vorgesehen war, eine FBI-Agentin in „Alarm für Cobra 11“. Das bedeutete mir viel mehr, als wenn ich für die Hauptrolle im Musical „Aida“ besetzt wurde, wo die Hauptrolle eben Schwarzafrikanerin ist. Das war 2003. Wie viele Musicaldarsteller mit schwarzer Hautfarbe, die auch noch Deutsch sprechen konnten, gab es denn zu dieser Zeit?

Ihre Kinder haben also genügend Identifikationsfiguren, wenn Sie den Fernseher einschalten?

Kasumba: Nein, deshalb schauen meine Kinder auch kein Fernsehen, sondern DVDs, Amazon oder Netflix. Als sie ganz klein waren, habe ich mir mal angeschaut, was es eigentlich für Kindersendungen gibt. Und ich weiß ja, wie wichtig es ist, dass man sich selbst erkennen kann. Bei Disney ist alles dabei: Die Schauspieler sind sehr divers. Das habe ich meinen Kindern dann ganz bewusst gezeigt. Sendungen, bei denen sie sagen können: Cool, das könnte ich auch sein.

Sie haben das englischsprachige Original und die deutsche Version synchronisiert. Fühlen Sie sich mehr bei sich, wenn Sie Deutsch sprechen?

Kasumba: Das ist bei mir nicht sprachenabhängig, sondern eher von den Menschen, mit denen ich zusammen bin. Aber wenn ich zu Hause im Ruhrgebiet bin, geht es mit der Sprache schon bergab (lacht). Wenn ich bei meinen Eltern bin, gibt es plötzlich keine Endungen mehr. Mein Mann ist Amerikaner, der sagt dann immer irgendwann: Ich verstehe euch nicht. Zu Hause mischen wir die Sprachen.

Sie haben die Musik zum Film angesprochen. Im Titelsong „Circle of Life“ von Elton John geht es darum, seinen Platz im Leben zu finden. Ist Ihnen das gelungen?

Kasumba: Absolut. Es gab mehrere Stationen in meinem Circle of Life. Als Teenager wollte ich unbedingt das Abitur schaffen, dann wollte ich studieren und dann wollte ich mit meiner Arbeit Geld verdienen und unabhängig sein. Ich wollte auch immer zwei Kinder haben. Meine Ziele habe ich verwirklicht und das fühlt sich schön an. Vielleicht wird es irgendwann einen Zeitpunkt geben, an dem mir mein Job nicht mehr gefällt, aber gerade mache ich genau das, was mir Spaß macht.

Klingt nach einem sehr geradlinigen Weg.

Kasumba: Total. Manchmal finde ich es selbst erschreckend, wenn ich daran denke, was ich als Zwölfjährige wollte, und dass ich fast alles davon erreicht habe. Ich genieße jetzt das, was ist. Ich habe einfach Glück gehabt.

Fällt Ihnen das Motto „Hakuna Matata“ (Es gibt keine Probleme) leicht oder sind Sie eine Grüblerin?

Kasumba: Ich bin beides. Es gibt viele Dinge, die nicht wichtig sind oder die ich nicht ändern kann, da lohnt es sich nicht, sich aufzuregen. Aber „keine Sorgen“, das kann man eben auch nur sagen, wenn man keine wirklich schwerwiegenden Sorgen hat.

Wenn sich jemand beispielsweise darauf vorbereiten muss, dass ein Elternteil stirbt, und ich sage zu ihm, mach dir keine Sorgen, dann ist das natürlich unangebracht. Aber es gibt gewisse Dinge, die man einfach akzeptieren muss. Auch, dass wir irgendwann gehen müssen.