Berlin. Giorgio Armani riss die Schulterpolster aus den Anzügen und revolutionierte die Männermode. Jetzt wird der Stardesigner 85 Jahre alt.

Polizisten, die in pastellfarbenen Anzügen Streife gehen? Undenkbar in der Realität. Nicht aber im Fernsehen. Hellgrün, hellrosa oder strahlend weiß gewandet – so sah US-Star Don Johnson aus, als er in den 80ern in der Rolle des Detecives „Sonny Crockett“ in „Miami Vice“ Ganoven jagte. Seine legendäre Wirkung auf Frauen führten nicht wenige auch auf sein Outfit zurück – ein wohl akzentuierter Schlabberlook, wie er zuvor nie dagewesen war. Kaum jemand wusste, dass dieser Stil die Revolution der Männermode werden sollte. Ihr Rebell: Giorgio Armani.

Die Jungs von „Miami Vice“ haben nicht nur Fernsehgeschichte geschrieben – sie waren Pioniere der Mode: Dass man irgendwann im Jackett und T-Shirt – ganz ohne Hemd – zum Date oder sogar zum Traualtar ziehen sollte? Eigentlich undenkbar in Zeiten, in denen steife Kragen das modische Geschehen beherrschten. Don Johnson in Armani, er war der Botschafter der neuen Lässigkeit, die nackte Männerfüße in Slippern gesellschaftsfähig machte und zu deren Accessoire unbedingt die Ray-Ban-Sonnenbrille gehörte.

Revolutionen benötigen oft einen harten Schnitt: Armani nahm ihn mit der Schere vor. Er ging dabei vor wie ein Berserker: In einer Dokumentation über ihn ist zu sehen, wie er nahezu besessen das Futter aus einem Sakko löst, dann radikal und mit purer Kraft die Schulterpolster rausreißt. Konzentration auf das Wesentliche – so hieß es damals, obwohl die Anzüge in der Nachbetrachtung und im Vergleich zu den schmalen Sakkos und Hosen von heute vor Üppigkeit zu strotzen schienen.

Giorgio Armani wurde zum Liebling Hollywoods

Richard Gere in „American Gigolo“. Der Hollywoodstar machte durch seinen Look in dem Film die Mode von Giorgio Armani berühmt.
Richard Gere in „American Gigolo“. Der Hollywoodstar machte durch seinen Look in dem Film die Mode von Giorgio Armani berühmt. © imago/Prod.DB | Imago stock & people

Hollywood liebte den Italiener, der nicht nur die Mode, sondern auch den Stoffwechsel der Menschen veränderte: mehr Stil, mehr Dolce Vita war auf einmal gefragt. Ein Schlüsselmoment seiner Karriere war die Ausstattung von Richard Gere in dem Film „American Gigolo“ im Jahr 1980. Fließend der Anzug, weiches Kamelhaar, der Mantel. Und ein so locker wie keck auf den Körper zugeschnittenes Oberhemd, das noch beim Aufknöpfen die perfekte Form erkennen ließ – Richard Gere führte Armani in die Welt der Hollywoodstars ein, die ihn bis heute für eine Schlichtheit mit dem gewissen Extra verehrt.

Trotz seiner Nähe zu den Prominenten sind dem Modeschöpfer Exzesse und Skandale immer ein Gräuel gewesen. Statt den spektakulären Auftritt eines umschwärmten Modegurus hinzulegen, war er der Meister der leisen Ansprache. Wann immer es auf den Laufstegen zu laut und schrill zugeht, erhebt er noch heute mahnend die Stimme. Nur im Zoff mit seinem Konkurrenten Gianni Versace verlor er die Beherrschung. Versace, der mit einem neobarocken, flamboyanten Stil geradezu seinen Gegenpol bildete, war für Armani das Sinnbild des „Vulgären“, des „Billigen“, seine Defilees nannte er „Porno-Shows“.

Einmal in Schwung, knöpfte sich Armani die Frauenmode vor. Auch hier räumte er auf und erfand Anfang der 80er-Jahren einen Aufzug, der zum Symbol der amerikanischen Karrierefrau werden sollte: den „Powersuit“ – den „Machtanzug“. Eleganz mit Jackett und Hose. Weich, der Stoff. Kantig, die Form. Frauen sollten groß, breit und ruppig wirken.

Der Stil seiner Mutter prägte Armani

Der Mode-Guru lieferte maßgefertigte, sündhaft teure Modelle seiner Privé-Kollektion für die upper class. Doch das war ihm nicht genug: Mit „Armani Exchange“ wurde er auch zum Liebling der Frauen, die ein Designer-Stück für 150 Euro kaufen wollten. Mode allein jedoch war ihm nie genug. Ganz nebenbei hat er ein Imperium erschaffen: Mit Einrichtungsläden, Brillen, Uhren, Schokolade und Parfum setzt er fast drei Milliarden Euro im Jahr um.

Modemacher, Geschäftsmann – welche Rolle war ihm lieber? In einem der wenigen Interviews, die Armani gegeben hat, sagte er dem Manager-Magazin einmal: „Ich bin ein Mann, nicht mehr und nicht weniger. Meine Persönlichkeit lässt sich nicht aufteilen. Der Designer in mir ist ein besserer Designer dank des Geschäftsmannes in mir. Zusammen wissen diese zwei: Wenn die Leute meine Kleider nicht kaufen, werde ich nicht lange Designer sein. Der Privatmann in mir ist so sehr mit der Arbeit verbunden, die ich liebe, und der Liebe, die ich für die von mir geschaffene Firma empfinde, dass er eins mit Armani ist.“

Dabei wollte der Sohn eines Buchhalters und einer Hausfrau, deren schlichter eleganter Stil ihn von Kindheit an entzückt hatte, Arzt werden. Er studierte Medizin, brach das Studium aber schnell wieder ab.

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    Giorgio Armani arbeitete in Mailand als Schaufensterdekorateur

    Eher zufällig fand er eine Anstellung im Mailänder Kaufhaus „La Rinascente“ – als Schaufensterdekorateur, später als Einkäufer. Und dort wurde bald ein renommierter Designer auf ihn aufmerksam: Nino Cerruti. Er engagierte Giorgio Armani für seine Männerlinie. Ohne jegliche Vorbildung auf diesem Gebiet entwarf er nun Mode. 1975 gründete er sein eigenes Label, gemeinsam mit seinem Partner Sergio Galeotti, der jedoch zehn Jahre später starb.

    Armani, der heute 85 Jahre alt wird, ist auch immer noch hinter und neben den Laufstegen der Welt aktiv: Ende Mai war er bei der Präsentation in Tokio dabei, Mitte Juni zeigte er zwei Fashion Shows in Mailand. Vor wenigen Tagen sein umjubelter Auftritt in Paris.

    Designer Gorgio Armani bei einer Männermodenschau im Jahr 2007.
    Designer Gorgio Armani bei einer Männermodenschau im Jahr 2007. © dpa | Daniel Dal Zennaro

    Mittlerweile gehören Pastellfarben in die Mottenkiste. Armanis Kunst der Reduktion bedeutete auch hier ein Weniger ist Mehr: dezentes Grau, Beige, Dunkelblau – der Armani Code ist klassische Eleganz. Aber ein Gefangener seines Stils wollte er nie sein. Er beklagte nicht selten, dass die Welt ihn festgelegt habe auf einen Armani-Stil, den nicht einmal er sich zu brechen traute. Doch der Mut kam mit den Jahren: Mittlerweile zieren sogar feine Stickereien seine Stücke.

    Wie es ist, wenn man sein ganzes Leben immer nur gearbeitet hat? In dem Interview mit dem Manager-Magazin gestand Armani: „Es gibt etwas, was ich bereue: Nicht mehr Zeit mit den Menschen verbracht zu haben, die ich liebe. Und dass ich so viele schöne Orte auf der Welt nie sehen konnte.“