Berlin. Die Polizei hat im Kölner „Tatort“ zu kämpfen. Mit Hass von außen, Diskriminierung von Frauen und Schwulen von innen. Ein Faktencheck.

Eigentlich sollten die Polizisten Melanie Sommer und Frank Schneider bei einer Feier in einem Wohnhaus nur für Ruhe sorgen. Doch wenig später wird die junge Beamtin verletzt und traumatisiert im Garten des Hauses aufgefunden. Ihr Kollege wurde so brutal zusammengeschlagen, dass für ihn jede Hilfe zu spät kommt. Wie sich später herausstellt, haben die Angreifer ihre Tat sogar auf Video festgehalten. Das Opfer war schwul.

Während ihrer Ermittlungen zu dem Polizistenmord stoßen die Kommissare Schenk und Ballauf auf viele Probleme, mit denen die Kölner Einsatzkräfte zu kämpfen haben – zunehmende Gewalt gegen sie aus der Bevölkerung, veraltete Rollenbilder, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit innerhalb der Behörde. Wie „kaputt“, so der Titel, ist die Polizei wirklich? Wir machen den Realitätscheck.

Hass gegen Polizisten

„Das toppt alles, was ich bisher an Brutalität gegen die Polizei erlebt habe“, sagt im Film der Leiter der betroffenen Dienststelle mit Blick auf seinen getöteten Kollegen. Die Kommentare im Netz zu der Tat tun ihr Übriges um dem Zuschauer zu vermitteln: Der Hass gegen die Beamten ist groß. „Nur ein toter Bulle ist ein guter Bulle“, ist ein Kommentar, „Fick die Bullen, Hurensöhne. Vor dem Chillen, Bullen killen“ ein anderer.

Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt: Das ist nah dran an der Realität. Erst Ende April wurden in Heilbronn 47 Personen verurteilt – wegen Hasskommentaren gegen die Polizei im Internet. Auslöser dafür war ein Mann, der sich von der Polizei ungerecht behandelt gefühlt und sich als Opfer brutaler Polizeigewalt dargestellt hatte. Daraufhin habe es im Netz Kommentare wie „Fuck the Police, scheiß Volksverräter“ oder „wie ich diese Schweine hasse“ gegeben.

• Hintergrund: Bundesweite Durchsuchungen im Kampf gegen Hasspostings

Und auch die aktuelle Kriminalstatistik der Polizei zeigt: Die Gewalt gegen die Einsatzkräfte wächst. Mehr als 38.000 haben die Behörden im vergangenen Jahr verzeichnet, mehr als 79.000 Beamtinnen und Beamte waren betroffen, so das Bundeskriminalamts (BKA). Damit sei die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 4,6 Prozent gestiegen.

Allerdings enthält die Statistik für das Jahr 2018 einige Zahlen, die in vorangegangenen Auflistungen nicht enthalten waren, darunter bundesweit fast 20.000 Fälle von Widerstand gegen mehr als 44.000 Polizeibeamte, und 10.761 Fälle von tätlichen Angriffen gegen 21.651 Polizisten. Das könnte auf den 2017 verabschiedeten „Schutzparagrafen“ des Strafgesetzes zurückzuführen sein. Angesichts steigender Gewalt gegen Polizisten, aber auch gegen Rettungskräfte an Unfallorten, waren die Strafen für Gewalttaten gegen Einsatzkräfte im Dienst verschärft worden.

Frauen bei der Polizei

Polizistin Melanie Sommer will im Film keine Schwäche zeigen, will sich keine zusätzliche Unterstützung im Einsatz holen und auch nach den Ereignissen schnell in den Dienst zurückkehren. Sie befürchtet, ansonsten als das „schwache Geschlecht“ wahrgenommen zu werden, das weniger aushalte als ihre männlichen Kollegen.

Und in der Realität? Laut dem Vorsitzenden der Polizei-Gewerkschaft in Brandenburg, Andreas Schuster, sei mangelnde Wertschätzung von Frauen in der Polizei heute kein Problem mehr: „Mangelnde Akzeptanz von Polizistinnen unter ihren männlichen Kollegen ist mittlerweile kein Thema mehr.“

Das sieht Erika Krause-Schöne von der Bundespolizei anders. „Ich glaube, der Sexismus ist immernoch allgegenwärtig“, so die Beamtin, ebenfalls Mitglied der Gewerkschaft, gegenüber dem NDR. „Ich glaube, das ist eine Art Machtausdruck.“ Dahinter stecke die Hierarchiestruktur innerhalb der Behörde. Und dass die meisten Chefs noch immer männlich seien.

Dass die Polizei bis heute ein „Männerladen“ ist, zeigen auch die Zahlen: Bei den Polizeien der Bundesländer liegt der Frauenanteil laut statistischem Bundesamt durchschnittlich bei 28 Prozent, bei der Bundespolizei bei 22 Prozent.

Homosexualität bei der Polizei

„Ein schwuler Bulle ist genauso schlimm wie ein schwuler Fußballer“, so Polizistin Melanie Sommer im Film mit Blick auf ihren getöteten, homosexuellen Kollegen. „Offiziell natürlich nicht“, fügt sie hinzu. Später in der Kneipe ist dann von „der Schwulette“ die Rede.

• Hintergrund: Mehrheit der Homosexuellen wird im Job benachteiligt

Das Bild in der Wirklichkeit ist ein gemischtes – zumindest, wenn man die Geschichte von Wolfgang Appenzeller hört. Seit 22 Jahren ist er bei der Polizei, mit 20 war für ihn klar, dass er dorthin will. Aber auch, dass er schwul ist. Was er damals noch nicht wusste: Erst wenige Monate vor Beginn seiner Ausbildung wurde der Paragraf 175 gestrichen, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte.

„Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich überhaupt nicht, dass es so einen Paragrafen gibt. Das war für mich erstmal ein Schock“, erzählt Appenzeller dem Online-Magazin bento. Er habe den Gedanken nicht abstellen können, jetzt bei einer Behörde zu arbeiten, die kurz zuvor noch den gesetzlichen Auftrag hatte, Leute wie ihn strafrechtlich zu verfolgen. Für die Laufbahn bei der Polizei hat er sich dennoch entschieden.

Er selbst, so Appenzeller, habe zwar seit seinem Outing vor inzwischen 18 Jahren nie direkte Diskriminierung erlebt. Einmal nur hätte ihn ein Vorgesetzter vor anderen beleidigt und diskriminiert. Dennoch engagiert sich der 44-Jährige heute für die Akzeptanz und Gleichbehandlung von Homosexuellen in seiner Behörde. Als „Gay German Cop“ will er vor allem in den sozialen Medien sichtbar machen, dass „die Polizei ein Spiegel der Gesellschaft“ sei und es viele Schwule und Lesben gibt.

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Noch immer trauten viele sich viele nicht, sich im Job zu outen. Dennoch habe sich vieles in den letzten 20 Jahren geändert, sagt Appenzeller. „Mittlerweile ist die Polizei sogar in manchen Städten auf dem Christopher Street Day mit einem eigenen Stand und wirbt dort um Nachwuchs.“ (mit dpa)