Berlin. Der Papst reagiert auf Kritik. Missbrauchsfälle im Kontext der katholischen Kirche müssen zukünftig dem Vatikan gemeldet werden.

Es ist ein lang erwarteter Schritt des Papsts: Ab Samstag gelten die neuen Regeln im Kampf gegen sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche. Sie gelten institutionsweit und beinhalten vor allem, dass in Bistümern gemeldete Fälle unverzüglich auch an die oberen Instanzen weitergegeben werden müssen. Dies war bisher nicht der Fall, theoretisch konnten Fälle vor dem Vatikan geheim gehalten werden.

Zudem schreibt der Vatikan allen Bistümern vor, binnen eines Jahres leicht zugängliche Anlaufstellen für Anzeigen einzurichten. Die Regeln sollen zunächst drei Jahre getestet werden. In Deutschland ist vieles davon schon umgesetzt.

Papst legt Regeln für Umgang mit Missbrauch in katholischer Kirche fest

Die Kritik war in den vorangegangenen Monaten: Der Papst tue nicht genug gegen die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Offenbar hatte sie den Senioren dann doch erreicht – denn der Pontifex erteilte Anfang Mai die neuen Anweisungen, die nun in Kraft treten erteilt.

Wichtigster Bestandteil davon ist eine Meldepflicht. Sobald irgendwo sexueller Missbrauch im Zusammenhang mit der katholischen Kirche bekannt werde, müsse dies weitergegeben werden – und zwar umgehend.

Meldepflicht an staatliche Stellen weiterhin nicht geplant

„Während diese Verpflichtung bis dato in einem gewissen Sinne dem persönlichen Gewissen überlassen war, wird sie nunmehr zu einer universell gültigen Rechtsvorschrift“, erklärte der Chefredakteur der Kommunikationsabteilung des Vatikans, Andrea Tornielli. Eine Meldepflicht an staatliche Stellen ist allerdings nicht vorgesehen.

In dem apostolischen Schreiben „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt) heißt es zudem, die katholischen Diözesen in aller Welt müssten bis spätestens Juni 2020 „ein oder mehrere dauerhafte und der Öffentlichkeit leicht zugängliche“ Anlaufstellen für Anzeigen einrichten.

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Missbrauchsskandale erschüttern die katholische Kirche immer wieder

Die katholische Kirche steckt seit Jahren wegen Missbrauchsskandalen in vielen Ländern der Welt – auch in Deutschland – in einer ihrer größten Krisen. Während des Pontifikats von Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. kam ans Licht, dass sich massenhaft Geistliche an Kindern vergangen hatten und von Oberen gedeckt wurden. Zuletzt hatte Benedikt zum entsetzten Erstaunen vieler die 68er für Missbrauch verantwortlich gemacht. Weitere abenteuerliche Ansätze der Erklärung kamen von einem Kardinal, der Homosexualität für den Missbrauch verantwortlich machte.

Papst Franziskus stand nun stark unter Druck, seinen Worten von einer „Null Toleranz“-Politik auch Taten folgen zu lassen. Kritisiert wurde, dass es keinen moralischen Kompass in der Kirche gab. Das nun veröffentlichte sogenannte Motu proprio ist eine Folge des Anti-Missbrauchsgipfels, zu dem der Papst Ende Februar die Vorsitzenden aller Bischofskonferenz in den Vatikan geladen hatte.

Danach war kritisiert worden, dass der Pontifex keine umfassenden Schritte im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern unternommen hatte. Zuletzt stellte Franziskus einzig für den kleinen Vatikanstaat – in dem kaum Kinder leben – entsprechende Regeln auf. Generell bewerteten viele die bisherige Initiative der Kirche laut einer Umfrage als wirkungslos.

Bischofskonferenz will Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch prüfen

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz kündigte als Reaktion auf die päpstlichen Anordnungen an, Auswirkungen auf ihre eigenen Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch zu prüfen. Das Dokument befinde sich ohnehin zur Zeit in einer „Phase der Überprüfung“, teilte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, am Donnerstag in Bonn mit.

Mit seinem Erlass setze Papst Franziskus als universalkirchlicher Gesetzgeber den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch durch kirchliche Amtsträger noch konsequenter und präziser als bisher fort. Das Dekret weite bisherige Straftatbestände des kirchlichen Rechts aus, heißt es in der Stellungnahme. „Es umfasst beispielsweise nicht nur Kleriker, sondern auch Ordensangehörige, die keine Kleriker sind. Es weitet die Gruppe der möglichen Opfer aus auf ,schutzbedürftige Personen’.“

Barley: Sexueller Missbrauch in der Kirche ist Sache für Gerichte

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) forderte die katholische Kirche auf, bei Hinweisen auf sexuellen Missbrauch unmittelbar Strafanzeige zu stellen, anstatt die Fälle nur intern zu erfassen. „Die schrecklichen Missbrauchstaten sind keine interne Angelegenheit der katholischen Kirche“, erklärte Barley. Jeder Fall müsse von einem Strafgericht beurteilt werden, zudem müssten Staatsanwaltschaften die Chance bekommen, zu ermitteln.

Barley mahnte, bringe die Kirche die Fälle nicht vor Gericht, bleibe die „Mauer des Schweigens“ erhalten, die den Missbrauch zuletzt jahrzehntelang verschleiert habe. Nur die umfassende Aufklärung aller noch nicht verjährten Taten durch Staatsanwaltschaften und Gerichte könne das ändern.

Missbrauchsbeauftragter Rörig begrüßt neue Meldepflicht

Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, begrüßte die vom Papst angeordnete Meldepflicht für Missbrauchsfälle. „Das ist eine weitere wichtige Maßnahme zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der Verleugnung und Vertuschung solcher Taten innerhalb der Kirche“, sagte Rörig auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Mit den neuen Regeln zum Umgang mit Missbrauchsfällen würden für Diözesen in der ganzen Welt neue Standards gesetzt, lobte der Missbrauchsbeauftragte. Außerdem begrüßte Rörig die päpstliche Vorgabe, wonach Betroffenen „mit Würde und Respekt“ begegnet und in Zukunft auch therapeutische und psychologische Betreuung angeboten werden müsse.

In Deutschland gelten seit 2014 die Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und Schutzbefohlener im Bereich der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Damit gebe es in Deutschland bereits hohe Standards, was die Meldung und Untersuchung solcher Fälle betreffe. Deutsche Bistümer müssten demnach strafrechtlich relevante Fälle an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weitergeben. (ses/dpa/epd)