Berlin. Der französische Filmstar Isabelle Huppert spricht im Interview über die Rolle als lupenreine Psychopathin in dem Film „Greta“.

So sphinxhaft, so böse, so tödlich hat man Frankreichs Grand Dame unter den Schauspielerinnen noch nie gesehen: Isabelle Huppert spielt in „Greta“ (ab 16. Mai im Kino) eine lupenreine Psychopathin. Ein Gespräch über ihr größtes heimliches Laster, ihr Faible für kaputte Charaktere und was sie über #MeToo denkt.

Madame Huppert, Sie haben im Laufe Ihrer Karriere viele seelisch gestörte Frauen dargestellt, aber noch nie eine Psychopathin. War das der ausschlaggebende Grund, warum Sie diesen Film machen wollten?

Das war sicher ein Grund. Ich finde die Charakterzeichnung sehr originell. Sie ist erschreckend manipulativ und durch und durch böse. So eine Frau hatte ich tatsächlich noch nie gespielt. Aber natürlich hat mir auch das Drehbuch sehr gefallen. Und dass Neil Jordan Regie führte. Ich schätze seine Filme sehr. Wie meistens, wenn ich bei einem Projekt zusage, spielen mehrere Faktoren eine Rolle.

Im berühmten Proust-Fragebogen haben Sie als Ihr größtes heimliches Laster angegeben, „mir vorzustellen, ich wäre eine sadistische und verführerische Mörderin“. Mit Greta sind Sie dieser Fantasie sehr nahegekommen. Wenn Sie so ein Monster spielen – hat das auch eine Wirkung auf Sie als Privatperson?

Huppert: Durchaus. Endlich hatte ich mal die Möglichkeit, meine bösen und krankhaften Fantasien voll auszuspielen.

In unserem letzten Interview sagten Sie, die Frauen, die Sie darstellen, seien immer ein Teil Imagination und ein Teil Sie selbst. Verraten Sie doch bitte, inwieweit Sie tatsächlich etwas von Greta haben?

Huppert: Es tut mir leid, doch das werde ich Ihnen ganz sicher nicht verraten. Aber ich will Ihnen doch noch auf Ihre Frage, was ich von Greta habe, antworten: Natürlich habe ich schon mal daran gedacht, jemanden umzubringen. Was ich dann freilich doch nicht getan habe. (Lacht.) Diese Mordfantasien aber mal in einem Film ausleben zu können, tut, wie gesagt, sehr gut. Im wirklichen Leben muss man ja leider sehr oft Kompromisse machen.

Da habe ich mich immer im Griff. So kann sich aber schon mal Hass und Zorn aufstauen. Eben gerade deshalb sind Filme, Literatur und andere Kunstformen ja so wichtig und gut. Dadurch können wir nämlich sehr viele dieser angestauten Gefühle – übrigens nicht nur negative – wieder loswerden. Wenn wir uns wirklich darauf einlassen. Dann weinen wir im Kino oder lachen, sind traurig oder freuen uns, werden aber auf jeden Fall emotional berührt.

Isabelle Huppert bei den Filmfestspielen in Cannes.
Isabelle Huppert bei den Filmfestspielen in Cannes. © Getty Images | Emma McIntyre

Stimmt der Eindruck, dass Sie ein Faible für kaputte, manische und obsessive Charaktere haben?

Huppert: Oh, ja, da haben Sie recht.

Der Film „Greta“ ist ein Psychogramm weiblicher Obsessionen. Diesmal aber – im Gegensatz zu vielen Ihrer anderen Rollen – spielt der sexuelle Aspekt kaum eine Rolle.

Huppert: Das ist wahr. Viele Frauenrollen, die ich spielte, waren eine Tour de Force aus Lust, Liebe und Sehnsucht – abgefedert durch Sex, der oft sehr explizit gezeigt wurde. Das ist bei „Greta“ nicht der Fall.

Wenn Sie, wie bei „Greta“, mit jungen Schauspielerinnen wie Chloë Grace Moretz arbeiten, geben Sie denen schon mal Tipps?

Huppert: Wo denken Sie hin! Absolut nicht. Chloë ist eine so versierte und profilierte Schauspielerin, sie braucht keinen Rat von niemanden. Wir haben sehr gut zusammen harmoniert. Das trifft übrigens auch auf alle anderen Mitwirkenden bei diesem Projekt zu. Die Dreharbeiten waren eine sehr schöne Erfahrung für mich. Ganz abgesehen davon halte ich überhaupt nichts davon, Ratschläge zu geben.

Man muss die Dinge, die einem wichtig sind, schon selbst herausfinden. Und sich auch immer wieder neu ausprobieren. Nur das, was man sich selbst erarbeitet hat, gehört einem auch.

Sie spielen in New York in dem Theaterstück „The Mother“ die Titelrolle. Da tragen Sie ein knallrotes, enges Minikleid, schwarze Strumpfhosen und Pumps. Wenn man Sie als „sexy“ bezeichnet, nehmen Sie das als Kompliment oder empfinden Sie das schon als sexuell übergriffig?

Huppert: Weder noch. So zieht sich diese Mutter eben an. Das ist natürlich nur die glänzende Oberfläche. Darunter kommt eine Frau von geradezu Bergmanscher Tragik zum Vorschein.

Wie stehen Sie zu #MeToo?

Huppert: Ich finde es gut, dass diese Debatten sehr laut und offen geführt werden. Denn nur so findet man Gehör. Natürlich finde ich jede Art von Nötigung schrecklich. Dagegen muss man sich vehement wehren. Ich habe das immer getan. Ich wurde nie – weder vor noch hinter der Kamera – auf irgendeine Weise missbraucht.

(Ulrich Lössl)