Karlsruhe. Was bisher nur Ehepaare durften, soll nun auch für Unverheiratete gelten: ein Stiefkind adoptieren. Das haben die Richter entschieden.

Bringt der Lebensgefährte ein Kind aus einer früheren Beziehung mit in die neue Partnerschaft, war es bislang für den anderen nicht möglich, den Sprössling zu adoptieren. Es sei denn, das neue Paar hatte sich dazu entschieden, zu heiraten. Das soll sich nun ändern.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von unverheirateten Partnern bei der Adoption gestärkt. Am Donnerstag erklärten die Karlsruher Richter die bisherige gesetzliche Regelung, wonach die Adoption von Stiefkindern nur mit Trauschein möglich ist, für verfassungswidrig.

Auch unverheiratete Partner eines Elternteils haben damit die Möglichkeit, die Stiefkinder zu adoptieren und so rechtlich zu gemeinsamen Kindern zu machen. Der Gesetzgeber muss die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches dazu bis zum 31. März 2020 neu regeln.

Mit dem Beschluss sind eine verwitwete Mutter und ihr Lebensgefährte vor den höchsten deutschen Richtern doch noch erfolgreich gewesen. Das Paar lebt seit 2007 mit den Kindern der Frau und einem gemeinsamen Kind als Familie.

Adoptionsregelung: Richter sehen Ungleichbehandlung von Kindern

Die beiden wollten nicht heiraten, weil die Frau dann ihre Witwenrente verlöre, die sie als einen wesentlichen Teil ihrer Existenzgrundlage betrachtet. Vor den Instanzengerichten hatte das Paar zunächst erfolglos bis vor dem Bundesgerichtshof geklagt.

Die Verfassungsrichter sahen hingegen eine Ungleichbehandlung von Kindern in nichtehelichen Stiefkindfamilien im Vergleich mit Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien.

Der vollständige Ausschluss der Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien verstoße gegen das Grundgesetz: Es sei mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, dass der Stiefelternteil in nichtehelichen Familien die Kinder des anderen Elternteils nicht adoptieren kann, ohne dass die Verwandtschaft der Kinder zu diesem erlischt (Beschluss vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17).

Hintergrund: Wer ist Vater, wer Mutter bei gleichgeschlechtlichen Paaren?

Beschluss berücksichtigt moderne Familienformen

In einer ehelichen Familie kann ein solches Kind dagegen auch rechtlich das Kind beider Eltern werden. Seit einigen Jahren ist dies auch in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft möglich.

Die Absicht des Gesetzgebers, Kinder vor ungünstigen familiären Bedingungen zu schützen und deshalb die Stiefkindadoption nur in Stabilität versprechenden Lebensgemeinschaften zuzulassen, sei zwar legitim. „Sind die Eltern die Ehe eingegangen, spricht dies für einen über einen kurzfristigen Beziehungswunsch hinausgehenden Bindungswillen und damit für die Stabilität der Beziehung“, finden auch die Verfassungsrichter.

Die gesetzliche Regelung werde aber stabilen nichtehelichen Stiefkindfamilien nicht gerecht. „Die nichteheliche Familie hat sich mehr und mehr als weitere Familienform neben der ehelichen Familie etabliert“, so der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Richter schlagen alternative Indikatoren vor

„Es gibt keine Erkenntnisse, die heute die Annahme rechtfertigten, dass die Paarbeziehung innerhalb einer nichtehelichen Stiefkindfamilie typischerweise besonders fragil und nur in einer kleinen Zahl von Fällen stabil wäre.“ Der Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption lasse sich auf andere Weise sichern.

Dabei könnten im neuen Gesetz statt oder neben dem Ehekriterium alternative Stabilitätsindikatoren verwendet werden – etwa die bisherige Beziehungsdauer. (mbr/vem/dpa)