Berlin. Promovieren kann man am Lehrstuhl, neben dem Job oder mit einem Stipendium. Drei angehende Doktoren berichten über Vor- und Nachteile.

Gründe, sich für eine Promotion zu entscheiden, gibt es viele. Manche denken an einen Bonus für ihren Karriereweg, andere wollen wissenschaftlich weiterarbeiten oder später eine akademische Laufbahn einschlagen.

Für eine weitere Gruppe ist die Promotion wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung – sie setzen sich für lange Zeit intensiv mit einem Thema auseinander, führen ihr erstes eigenes Projekt durch.

Über Projekte profilieren

„Gerade wenn man noch sehr jung ist, kann man sich über ein erstes Projekt profilieren und gewinnt zudem an Selbstständigkeit“, sagt Anja Hagedorn, Geschäftsführerin Thesis e.V.

Anja Hagedorn ist Geschäftsführerin von Thesis, einem Verein, der Doktoranden aller Fachrichtungen unterstützt.
Anja Hagedorn ist Geschäftsführerin von Thesis, einem Verein, der Doktoranden aller Fachrichtungen unterstützt. © Privat

Das ist ein Netzwerk, das Doktoranden aller Fachrichtungen während ihrer Promotion und Promovierte auf ihrem weiteren Karriereweg unterstützt.

Kooperationen zwischen Hochschulen

Die Wege zum Doktortitel sind vielfältig. Absolventen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die kein Promotionsrecht haben, können eine kooperative Promotion mit einer Partner-Universität machen, Universitätsabsolventen promovieren weiter an Universitäten, andere machen aus ihrem Unternehmen heraus eine Industriepromotion oder als „Externe“ auf eigene Kosten oder mithilfe eines Stipendiums ihren Doktor.

Anja Hagedorn promovierte 2017 an der Leipzig Graduate School of Management (HHL) am Lehrstuhl für Innovationsmanagement und Entrepreneurship.

Fünf Jahre Doppelbelastung

„Ich habe zum Thema Gründung gearbeitet und geforscht“, sagt Hagedorn, die Promotion machte sie nebenberuflich. Eine Herausforderung, die sie fünf Jahre lang meistern musste.

„Arbeit und Promotion waren schwer unter einen Hut zu bekommen“, sagt die 32-Jährige. „Ich habe Vollzeit gearbeitet und am Abend an meinen Papern gesessen.“

Zwar hatte sie ein Zeitkontingent zur Forschung zur Verfügung, aber wer in zeitlich befristeten Projekten arbeitet, kann sich diese Zeiten nicht immer freischaufeln.

„Man muss sich wirklich abgrenzen können, um das Promotionsziel zu erreichen“, sagt sie. Zudem brauche man ein gutes Zeitmanagement und Selbstdisziplin.

Postdoktorandin in der Zukunftsforschung

Nach ihrer Promotion ging Anja Hagedorn an das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW), als Postdoktorandin in der Zukunftsforschung.

Da ihr die Verbindung und der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis sehr wichtig ist, wechselte sie 2018 die Seiten. Seitdem ist sie als freiberufliche Dozentin und Projektmanagerin tätig, unter anderem an der Fernhochschule Akad University.

„Bevor man überhaupt eine Promotion in Angriff nimmt, sollte man sich überlegen, wie man promovieren möchte“, rät sie. An einem Lehrstuhl? Nebenberuflich? Mit einem Promotionsstipendium? „Danach richtet sich alles aus.“

In der Wissenschaft muss man publizieren

Wer an einem Lehrstuhl promoviert, hat den Vorteil, in engem Kontakt mit dem Doktorvater oder der Doktormutter zu stehen und ein festes Mitglied des wissenschaftlichen Teams zu sein. „Wer eine Uni-Karriere anstrebt, sollte an einem Lehrstuhl promovieren“, rät Hagedorn.

Externen Promovierenden, die ihre Promotion über ein Stipendium finanzierten, fehle häufig die wissenschaftliche Anbindung. „Hat man eine Stelle an der Uni oder in der Forschung, ist man natürlich besser eingebunden, als in einem anderen Arbeitsumfeld“, sagt Hagedorn. Dort könne man bereits sein eigenes Netzwerk aufbauen.

Denn wer später in der Wissenschaft arbeiten möchte, braucht Reputation. Dann sei wichtig, wie viel man publiziert und wie viel Drittmittel man eingeworben habe.

Promotionsstelle an der Beuth Hochschule

Christian Jetschni hat eine Promotionsstelle an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Damit finanziert er seine Promotion. Der 27-Jährige ist Absolvent der Technischen Hochschule Wildau, seinen Master macht er in Biosystemtechnik und Bioinformatik.

Ziel seines Berufsweges war die Promotion. „Bei uns in der Familie gibt es nicht so viele Akademiker“, sagt er. Das wollte Christian Jetschni ändern. Als er die Ausschreibung der Promotionsstelle an der Beuth Hochschule sah, bewarb er sich. „Für mich ist das eine super Gelegenheit, arbeiten zu können und gleichzeitig den Doktor anzugehen.“

Doktorandenausbildung an der TU

Da die Beuth als Hochschule für angewandte Wissenschaften kein Promotionsrecht hat und keinen Doktortitel verleihen darf, macht er seine Promotion in Kooperation mit der Technischen Universität (TU) Berlin.

Jetschni schätzt die Expertise und Möglichkeiten beider Hochschulen – die anwendungsorientierte Forschung an der Hochschule und die Einbindung seiner Arbeiten in die Doktorandenausbildung an der TU Berlin.

Seit Dezember 2018 forscht er am Fachgebiet Bioprozesstechnik von Prof. Peter Götz zum Thema „Glykosylierung von Proteinen“.

Simulationen am Rechner

Christian Jetschni arbeitet hauptsächlich am Computer, schreibt Programme und versucht Prozesse, die sich im Körper abspielen, in einer Simulation nachzustellen. Zwischendurch zieht er den weißen Kittel an und geht ins Labor.

„Bestimmte Sachen muss ich vor Ort herausfinden, bevor ich sie programmieren kann“, erklärt Jetschni. Er zeigt auf den Bildschirm, auf dem sich Proteine und Enzyme in Symbolen darstellen und munter umeinander herumtanzen – eine Kurve zeigt an, welchen Einfluss sie aufeinander haben.

„Mit den Simulationen lassen sich Prognosen erstellen, wie man Prozesse optimieren kann.“ Diese könnten beispielsweise für die Pharmaindustrie spannend sein, die Medikamente herstellen oder verbessern möchte.

Pragmatismus und Promotion

„Man muss mit einer Promotion mit wissenschaftlichen Mitteln zum Erkenntnisgewinn einer Disziplin beitragen“, sagt Anja Hagedorn. Diese Ziel hat auch Steven Schmidt. Er ist überzeugter Praktiker und Wissenschaftler.

Diese Kombination zieht sich durch seine Karriere wie ein roter Faden. Er studierte Wirtschaftsinformatik im dualen Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin, seinen Master „Prozess- und Projektmanagement“ machte er ebenfalls dual und praxisintegriert an der HWR.

Steven Schmidt arbeitet bei der DB Station & Service. Er nutzt das Promotionsprogramm des Bahn-Konzerns und wird seine Doktorarbeit an der Otto-von-Guericke-Uni in Magdeburg abschließen.
Steven Schmidt arbeitet bei der DB Station & Service. Er nutzt das Promotionsprogramm des Bahn-Konzerns und wird seine Doktorarbeit an der Otto-von-Guericke-Uni in Magdeburg abschließen. © Sven Lambert

So war es für ihn folgerichtig, für eine Industriepromotion aufzusatteln. Seit 2018 arbeitet er bei der DB Station & Service als Referent Grundlagen Technik & Betrieb IT-Infrastruktur, seit Februar 2019 promoviert er. Die Deutsche Bahn hat – wie viele andere Großkonzerne auch – ein Promotionsprogramm für ihre Fachkräfte aufgelegt, um sie bei ihrer berufsbegleitenden Promotion zu unterstützen.

Vom Arbeitgeber ideell und finanziell gefördert

Der Vorteil für die Promovenden: Sie sind in einem Unternehmen eingebunden, beziehen ihr Gehalt weiter, arbeiten an der Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft und werden von ihrem Arbeitgeber ideell und finanziell gefördert.

Es gibt Vernetzungstreffen mit anderen Doktoranden, der Konzern übernimmt die Kosten, damit Schmidt an Kongressen und Tagungen teilnehmen kann.

Doktor in IT-Servicemanagement

Steven Schmidt ist externer Doktorand an der HWR, seine Promotion wird er an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg abschließen. Sein Doktorvater ist sowohl Professor an der HWR als auch an der Magdeburger Universität.

„Mit ihm stehe ich in engem Austausch“, sagt Schmidt. Seine Doktorarbeit will er im Bereich IT-Servicemanagement schreiben. Gerade ist Steven Schmidt von seiner ersten Konferenz zurück, wo er einen Vortrag über Netzwerkzugangssicherheit vor einem Fachpublikum gehalten hat. Sein erstes Referat, das auch im Tagungsband veröffentlicht wird.

Flexible Arbeitszeiten helfen beim Promovieren

„Ich muss mir eine wissenschaftliche Reputation aufbauen“, erklärt der 27-Jährige. Mit seinem Arbeitgeber hat er flexible und mobile Arbeitszeiten vereinbart.

„Meine Arbeit ist integrativ“, sagt er. Ideen und Grafiken, die Schmidt in seinem Job entwirft, kann er in seinen Papers aufgreifen oder später in seine Doktorarbeit einfließen lassen.

Dennoch sitzt Steven Schmidt auch nach der offiziellen Arbeitszeit in seinem häuslichen Arbeitszimmer und arbeitet an seiner Promotion. Für ihn kein Problem, es macht ihm Spaß, denn: „Der duale Gedanke fortgeführt bis zur Promotion ist eine wunderbare Sache.“ (Dagmar Trüpschuch)