Berlin. Ihr Sohn hat an sie geglaubt – und Recht behalten. Nach 27 Jahren erwachte seine Mutter aus dem Koma. Die unglaubliche Geschichte.

Das Word Trade Center stand noch, das Internet war ein nerdiges Computer-Tool für Wissenschaftler und Helmut Kohl war noch Bundeskanzler – so sah die Welt aus, als Munira Abdulla in Abu Dhabi das letzte Mal bei Bewusstsein war. Jetzt, 27 Jahre später, ist die inzwischen 59-jährige Frau wieder aufgewacht - in einer Klinik in Bayern.

27 Jahre lang lag die Frau im Koma, doch ihr inzwischen 32-jähriger Sohn hat niemals die Hoffnung aufgegeben, sie wieder zu sprechen. „Ich hatte immer das Gefühl, sie werde eines Tages aufwachen“, erklärte Omar Webair der Zeitung „The National“ aus Abu Dhabi. Obwohl seine Mutter nicht ansprechbar war und ihre Umgebung nicht wahrnehmen konnte, fühlte er über die Jahre hinweg eine immer tiefere Verbindung zu ihr, sagt er.

Mutter fiel bei Autounfall ins Koma

Schließlich hatte die Mutter sich geopfert, um ihren Sohn zu schützen. Denn der damals 4-jährige Omar Webair saß bei eben jenem schrecklichen Unfall neben ihr im Auto. Plötzlich prallte ein Bus mit dem Auto zusammen. In letzter Minute warf sich die Mutter vor ihn, um Webair vor dem Aufprall zu schützen, so erzählt es der Sohn. Sie erlitt schwere Hirnverletzungen, die Ärzte gingen davon aus, dass sie nie wieder aufwachen würde.

Es folgte ein jahrzehntelanger Leidensweg von Krankenhaus zu Krankenaus – bis die Abu Dhabis Königsfamilie von Abdullas Geschichte erfuhr. Die royalen Wohltäter finanzierten die Behandlung in einer Spezialklinik in Deutschland. So wurde die Koma-Patientin 2017 in die Schön-Klinik in Bad Aibling, einem neurologischen Fachzentrum, transportiert.

Mutter wacht aus Koma auf – Unfall mit Sohn lag 27 Jahre zurück

1991 ereignete sich ein schwerer Unfall, bei dem die damals 32-Jährige schwere Verletzungen im Hirn erlitt und ins Koma fiel. Ihr Sohn war dabei, als sie nach der Schule in einem Auto gegen ein Bus fuhren. Ihm passierte wenig. Ihr gaben die Ärzte kaum eine Chance, jemals wieder ein normales Leben zu führen.

Im „National“ berichtet ihr Sohn, er habe sie täglich besucht, niemals aufgegeben. „Meine Mutter und ich hatten bei dem Unfall auf der Rückbank gesessen, ihr Schwager ist gefahren.“ Nachdem der Unfall geschehen war, dauerte es lange, bis ihr geholfen wurde – der Unfall ist so lange her, dass es damals noch keine Handys gab.

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Sohn: Mutter wurde immer wertvoller für ihn - trotz Koma

Ihr Sohn erklärt in der Zeitung: „Für mich war sie wie Gold – je mehr Zeit verging, umso wertvoller wurde sie für mich.“ Vergangenen Juni sei dann das absolut Unerwartete geschehen in der deutschen Klinik: Nachdem sie operiert worden war, um geschwächte Muskeln zu stärken, begann sie offenbar, auf die Umgebung zu reagieren. Die Ärzte machten dem Sohn wenig Hoffnungen.

Einiges Tage machte sie Geräusche. Das sei normal, hatten ihm die Zuständigen der Klinik berichtet. Dann die unglaubliche Überraschung, kurze Zeit später: Sie sagte seinen Namen.

Tatsächlich ist die Frau, die wieder in Abu Dhabi ist, inzwischen sogar in der Lage zu kleinen Gesprächen. Der Sohn erklärt „National“: „Ich teile diese Geschichte, damit Menschen, denen wie mir gesagt wird, es gebe keine Hoffnung mehr, nicht aufgeben.“

Arzt von Zustand der Koma-Patientin überrascht

„In ihrem Gehirn war es zu umfangreichen Zerstörungen und Atrophien gekommen“, so beschreibt ihr behandelter Arzt, Chefarzt Dr. Friedemann Müller, ihren Zustand von damals. „Als die Patientin zu uns kam, war sie im Stadium eines Syndroms des Minimalen Bewusstseins“, sagt Müller unserer Redaktion. „Das heißt, man konnte oft beobachten, dass sie ihren Blick kurz auf etwas richtete, in der Regel ein Gesicht, zum Beispiel auf das ihres Sohnes“.

Allerdings hätte es keinerlei zielgerichtete Bewegungen gegeben, sie konnte einfachste Aufforderungen nicht befolgen, erklärt der Arzt. Mit stimulierenden Therapien wie Physiotherapie und Mobilisation im Rollstuhl habe man versucht, ein besseres Körperschema zu entwickeln. Und plötzlich begann Abdulla, ihre Umgebung wahrzunehmen.

Mutter rief Namen ihres Sohnes

Wenige Tage später war Omar Webair am Rand ihres Bettes eingeschlafen, als er unvermittelt aufwachte - weil seine Mutter seinen Namen rief. Selbst der behandelte Arzt war davon überrascht: „Ich habe es tatsächlich noch nicht selbst erlebt, dass ein Patient nach so langer Zeit wieder so gut kontaktfähig wurde“, sagt Müller. Allerdings kämen auch in seine Klinik immer wieder Patienten, die nach einem halben Jahr im Koma plötzlich ähnlich erfolgreich reagierten.

Laut „National“ war der Sohn inzwischen mit seiner Mutter auch wieder draußen unterwegs. Etwa in einer Moschee. Die, als der Unfall geschah, als er seine Mutter das letzte Mal bei vollem Bewusstsein erlebt hatte, noch gar nicht gebaut war. Wie ein Koma-Patient wieder ins Leben zurückfand.

Wie ist es im Koma zu liegen?

Im Koma ist das Bewusstsein des Menschen komplett ausgeschaltet. Die Reflexe sind deaktiviert, die Pupillen reagieren nicht auf Licht. Trotzdem empfehlen Mediziner Angehörige, dass sie Koma-Patienten häufig besuchen und sich mit ihnen unterhalten. Das soll ihnen Sicherheit und Vertrauen geben.

Was ist ein künstliches Koma?

Darunter versteht man eine lange Vollnarkose, der durch Narkose- und Schmerzmittel ausgelöst wird. Bewusstsein und Schmerz sind dabei komplett ausgeschaltet.

(ses/jr)