Washington. Politisch, ehrlich, selbstbewusst: Shirley MacLaine hat sich nie an Hollywood angepasst. Die Schauspielerin wird am Mittwoch 85 Jahre.

Es ist mehr als 60 Jahre her, dass Regisseur Vincente Minnelli einer Rothaarigen mit tiefblauen Augen und Sommersprossen die Rolle eines Flittchens auf den Leib schrieb, in das man sich einfach verlieben musste: Ginny Moorehead.

In der Milieustudie „Verdammt sind sie alle“ über den Kriegsheimkehrer Dave Hirsh (Frank Sinatra), der im Provinzkaff Parkman an den bindungsscheuen Zocker Bama Dillert (Dean Martin) gerät, aber im Grunde nach sesshafter Liebe sucht, spielt diese Ginny Moorehead einen lausmädeligen Charme aus, der selbst stärkste Männlichkeitspanzer porös werden lässt. Auch Hirsh wird am Schluss von der bedingungslos aufopfernden Liebe des Wildfangs förmlich begraben.

Für Shirley MacLaine, die 1955 in Alfred Hitchcocks schwarzer Komödie „Immer Ärger mit Harry“ ihr Leinwand-Debüt feierte, bedeutete die oscarreife Ginny Moorehead den Durchbruch. Dass es weitere 25 Jahre dauern sollte, bis die aus schottisch-irischem Familienstamm kommende Tochter eines Schuldirektors und einer Schauspiellehrerin aus Richmond/Virginia, tatsächlich den Goldjungen der Academy in Hollywood für die Rolle der liebevoll nervigen Aurora Greenway in „Zeit der Zärtlichkeit“ bekam, quittierte MacLaine bei der Verleihung selbstbewusst so: „Den habe ich auch verdient.“

Am heutigen Mittwoch wird die Schwester des Hollywood-Stars Warren Beatty, die es über ein Engagement als Tänzerin am Broadway zum Film schaffte und Moden und Studiobosse überlebte, 85 Jahre alt.

Shirley MacLaine verkörperte ein selbstbewusstes Frauenbild

In MacLaines Filmografie überwiegt die Rolle der Hure mit goldenem Herzen, die das andere Geschlecht wie Wachsfiguren formt. In „Ein Fressen für die Geier“ spielt sie an der Seite von Clint Eastwood eine Prostituierte im Nonnen-Gewand. In Billy Wilders „Das Mädchen Irma La Douce“ wickelt sie in absinthgrünen Strümpfen Jack Lemmon um den Finger.

MacLaine verkörperte in den biederen 1950er-Jahren vor und hinter der Leinwand ein selbstbewusstes Frauenbild, das als Kontrapunkt zur ätherischen Filmdiva stand. Affären mit den Berufskollegen Yves Montand und Robert Mitchum, dem schwedischen Premierminister Olof Palme sowie dessen kanadischem Amtskollegen Pierre Trudeau gehören ebenso zu ihrer Vita wie die langjährige offen geführte Ehe mit dem Film-Produzenten Steve Parker, aus der Tochter Sachi hervorging.

Shirley MacLaine machte niemandem etwas vor

Geistige Unabhängigkeit, forsches Mundwerk, enorme Disziplin und die Fähigkeit zur Selbstironie gewährten MacLaine gemeinsam mit Lauren Bacall und Judy Garland Zutritt zur seinerzeit größten Macho-Bande Hollywoods. Das „Rat Pack“ um Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr. nahm sie als gleichberechtigte Party-Schwester auf. Was sie an ihr schätzten: Sie gaukelte vor und hinter der Kamera niemandem etwas vor.

Shirley MacLaine war Zeit ihres Lebens politisch den Demokraten nahe. Sie unterstützte John F. Kennedy und dessen Bruder Robert. Sie machte für Jimmy Carter und Bill Clinton Wahlkampf. Sie ging gegen den Vietnamkrieg und für die Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King auf die Straße. Dass heute Donald Trump im Weißen Haus sitzt, macht ihr zu schaffen. In einem Interview stand MacLaine kurz davor, über den Milliardär auszupacken. Sie verbot sich in letzter Sekunde selbst den Mund.

Shirley MacLaine glaubt an ihre Wiedergeburt

Abgesehen von einzelnen Gastspielen (zuletzt etwa in der TV-Serie „Downton Abbey“) hat Shirley MacLaine dem Traumfabrik-Leben Hollywoods weitgehend den Rücken gekehrt. Den dort gehuldigten Fließband-Opern aus „Thrillern, Hightech und Fantasy“ kann sie wenig abgewinnen.

Die meiste Zeit verbringt die Buchautorin und von außerirdischer Intelligenz überzeugte Esoterikerin mit Pferden und Hunden auf ihrer 2500 Meter hoch gelegenen Ranch bei Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexiko. Sie glaubt an Wiedergeburt und wähnte sich bereits im pharaonischen Ägypten. Dean Martin sagte einmal über sie: „Ich liebe Shirley, aber sie hat wirklich nicht mehr alle Ruder im Wasser.“

(Dirk Hautkapp)