Ponta Delgada. Die Inselgruppe der Azoren im Atlantik bietet auch an Land überwältigende Natur. Frischer Fisch und warme Quellen sorgen für Genuss.

Der Sohn möchte mal große Tiere sehen und einen Dschungel durchstreifen, die Frau am liebsten ans Meer, aber ohne Massentourismus, und dann gibt es da noch den Bergwanderer mit Temperaturtoleranz bis maximal 25 Grad. Wohin soll es nun bloß gehen? Auf die Azoren! Ausgesucht als kleinster gemeinsamer Nenner entpuppen sich die Inseln schon bald nach der Ankunft als Ort, der all das und noch viel mehr bietet.

Viele kennen das Azorenhoch – dort im Nordatlantik entsteht die neben dem Islandtief bekannteste Großwetterlage Europas –, relativ wenige das Urlaubsziel. Mancher mutmaßt, dass die Azoren (im Portugiesischen als Habichtsinseln bekannt) die übrig gebliebene Spitze des versunkenen Atlantis seien.

Azoren-Urlaub: Eine Wanderung auf den 2351 Meter hohen Vulkan Pico

Besonders spitz zeigt sich die Inselgruppe auf dem Eiland Pico. Satte 2351 Meter erhebt sich der gleichnamige Vulkan Ponta do Pico aus den üblicherweise rauen Fluten des Atlantiks. Der aufgesetzte Kegel am Rand der kleinen Caldera ist die höchste Erhebung Portugals. Kurz unterhalb des Gipfels, den man nach einem drei- bis vierstündigen Aufstieg erreicht, steigt aus Felsspalten Dampf auf.

Ausdruck fortwährender vulkanischer Aktivität, die einem hier auf Schritt und Tritt begegnet. Die Azoren liegen auf dem mittelatlantischen Rücken, einem Riss in der Erdkruste. Die beiden westlichsten Inseln der Azoren liegen bereits auf der amerikanischen Platte, die restlichen fünf gehören noch zu Europa.

Das kalte Tiefenwasser steigt an den untermeerischen Hängen auf und mit ihm ein Füllhorn an Nährstoffen. Für Wale und Delfine schafft das paradiesische Zustände. Sie können sich den Bauch vollschlagen, ohne allzu tief zu tauchen.

Sattes Grün und wildes Blau: Ponta Delgada, die Azorenhauptstadt auf der Insel Sao Miguel, hat mit Außenbezirken gerade mal 18.000 Einwohner.
Sattes Grün und wildes Blau: Ponta Delgada, die Azorenhauptstadt auf der Insel Sao Miguel, hat mit Außenbezirken gerade mal 18.000 Einwohner. © iStockphoto | iStockphoto/Photographer, Videographer, Writer

Wenn sie nach der Nahrungsaufnahme wieder auftauchen, um Luft zu holen, schlägt die Stunde der Walbeobachter. Unterwegs in Schlauchbooten oder kleinen Motorjachten, die aus den Häfen von Madalena und Lajes do Pico auslaufen, sind sie auf der Jagd nach Fotomotiven. Mit den Delfinen kann man sogar schwimmen.

Einzelne Badestellen sind den Felsen abgerungen

Zu den Walen müssen die Boote mindestens 50 Meter Abstand halten. Als jedoch plötzlich direkt neben unserem Boot ein Pottwal auftaucht und ganz ruhig im Wasser liegen bleibt, kann unser Skipper nicht anders, als dran zu bleiben. Schließlich sind die Boote der Konkurrenz schon wieder gen Hafen gefahren. Fast können wir das gewaltige Tier berühren, das ab und zu seinen Blas ausstößt.

Für Badegäste ist die Sache mit der Kälte, die aus der Tiefe kommt, eher unerfreulich. Im August kann die Wassertemperatur schon mal 22 Grad erreichen, doch generell sind die Wellen das Jahr über ziemlich frisch. Auch die starke Brandung und das scharfkantige Vulkangestein schmälern die Eignung der Azoren als Badeziel. Vermutlich verdanken sie diesen Eigenschaften den weitgehenden Erhalt ihrer Ursprünglichkeit.

Gesamte Insel Pico hat gerade einmal 500 Gästebetten

Die gesamte Insel Pico hat mit 500 Gästebetten weniger Schlafstätten als ein einziges mittelgroßes Hotel auf Mallorca. So ist man an den wenigen, malerisch den Felsen abgerungenen Badestellen mit den Einheimischen unter sich, staunt über die farbenfrohe Vielfalt der Fische in den angenehm temperierten Becken zwischen der Schwärze des Lavagesteins und gönnt sich in der Bar noch ein zweites Gläschen Rotwein – bei Preisen von gut einem Euro pro Schoppen fällt das leicht.

Als Inselgruppe bilden die Azoren ein Meeresschutzgebiet von globaler Bedeutung. Blauwalzeit ist im April und Mai. Gefischt werden darf rund um die Azoren nur in nachhaltiger Weise, Schleppnetze sind tabu. Das sichert den traditionell arbeitenden azorianischen Fischern ihre Arbeit. Man unterstützt sie am besten, indem man in den zahlreichen kleinen Fischrestaurants reichlich Meerestiere isst.

Mehr zur Inselgruppe: Ein Hoch auf die Azoren – den Archipel im Atlantik

Als Vorspeise gibt es Rohmilchkäse mit scharfer roter Soße

Viele dieser Restaurants haben ein, zwei eigene Boote im hier üblichen Nussschalenformat, mit dem tagsüber das aus dem Atlantik geholt wird, was abends auf dem Grill und dann auf dem Teller landet. Einer der schönsten Orte um frischen Fisch zu genießen, ist der Porto de Caloura auf der Insel São Miguel.

Die Terrasse der Bar Caloura bietet einen herrlichen Blick über die malerische Bucht, man kann Halbwüchsigen bei ihren wagemutigen Sprüngen von der alten Festung in den Felspool zusehen, die Wärme der untergehenden Sonne spüren, der Brandung lauschen und sich in der Küche seinen Fisch aussuchen. Als Vorspeise gibt es Rohmilchkäse mit scharfer roter Soße und Brot.

Auch im Touristen-Hotspot São Miguel gibt es besondere Orte

Obwohl São Miguel die touristischste Azoreninsel ist, findet man auch hier noch solche besonderen Orte: die geradezu paradiesische Caldeira Velha etwa, Thermalquellen und Wasserfälle in einem üppig wuchernden, von roten Felsen durchsetzten Wald voll immergrüner Baumfarne. Oder die Termas da Ferraria, eine Bucht an der Westküste, wo heiße Quellen am Meeresboden dem Wasser wohlige 28 Grad bescheren.

Flächenmäßig hat zuletzt die Insel Faial am vulkanischen Erbe gewonnen. 1957/58 stiegen an der Westspitze 2,4 Quadratkilometer neues Land aus dem Meer empor. Vom alten Leuchtturm hat man einen prächtigen Blick auf das geologische Baby, unter dem Turm informiert ein vorbildlich gestaltetes Besucherzentrum über den Ausbruch und die Ausprägungen der Kräfte hier und anderswo auf der Erde.

In der Inselhauptstadt Horta wird man im Café Sport wie überall auf den Azoren freundlich bedient und bekommt leckeres Essen zu fairen Preisen. Nebenkostenmäßig ist ein Urlaub auf den Azoren um einiges günstiger als am Mittelmeer, auch in dieser Hinsicht ist die Inselgruppe ein echter Wohlfühlort. (Christoph Schrahe)