Berlin. In „Größer als im Fernsehen“ geht es um das Konzert eines Ex-Castingstars. Es könnte satirisch gemeint sein. Leider bleibt das unklar.

Die Red Hot Chili Peppers traten anfangs gern nackt auf, aus Rücksicht auf das sittliche Empfinden ihrer amerikanischen Landsleute aber bedeckten sie ihr Gemächt mit weißen Tennissocken. Der Popularität der Band hat das eher genützt, und wenn heute eine Rentnerin den Wunsch äußert, der von ihr verehrte Castingshow-Star möge bitte in Unterwäsche vor ihr ein Lied trällern, dann zuckt man höchstens mit den Achseln und hofft, dass er die Tennissocken nicht an den Füßen trägt.

Die Gelüste einer älteren Dame machen die in der Arte-Komödie „Größer als im Fernsehen“ erzählte Geschichte erst möglich. Woher dieses spezielle Verlangen rührt, bleibt freilich unklar: Es passt nicht zu dieser so spröden Eleonore Kürschner (Marie Anne Fliegel), ist aber Voraussetzung für die folgende Dramaturgie.

Noch problematischer ist, dass die Dame bereit ist, ihren Hof im hessischen Körstel, seit Generationen im Familienbesitz, an einen Investor zu verkaufen – im Gegenzug für ein einziges weitgehend kleidungsbefreites Privatkonzert des erfolglosen Sängers Nico Hölter (Dennis Schigiol). Da ist man schon von den Socken.

Story von „Größer als im Fernsehen“ ist unglaubwürdig konstruiert

Diese unglaubwürdige Konstruktion steht am Anfang einer Geschichte, die lauter Abgehängte zusammenführt. Zum einen Lisa Denker (Janina Fautz). Als Studentin in Berlin krachend gescheitert, kann sie sich gleich mit dem Gasthof ihres pünktlich zum Ende ihrer akademischen Karriere verstorbenen Vaters übernehmen. Das tut sie konsequent. Einziger Ausweg: Ein Ferienpark-Investor möchte die Kneipe kaufen.

Lisa (Janina Fautz), Bürgermeister Schulz (Gustav Peter Wöhler) und dessen Frau Andrea (Dagmar Leesch; von links) beobachten genau, ob das Konzert planmäßig verläuft.
Lisa (Janina Fautz), Bürgermeister Schulz (Gustav Peter Wöhler) und dessen Frau Andrea (Dagmar Leesch; von links) beobachten genau, ob das Konzert planmäßig verläuft. © © HR/Bettina Müller | HR/Bettina Müller

Aber um den „SunParc“ bauen zu können, benötigt er auch Eleonores Grundstück. Die will nicht verkaufen – bis sich ihre Schwäche für Nico offenbart, der vom großen Ruhm träumte, heute aber in Möbelhäusern Coversongs singt und in Bälde in der Dschungelshow „Abgestürzt“ auftritt. Lisa heckt einen Plan aus, um Nico zum Auftritt in Unterhose zu bewegen.

Tatkräftig unterstützt wird sie von Bürgermeister Schulz (Gustav Peter Wöhler) und den Körstelern, die das „SunParc“-Projekt sämtlichst ganz klasse finden, weil in ihrem Dorf rein gar nichts vorangeht.

„Größer als im Fernsehen“ ist von zu vielem ein wenig

Christoph Schnee hat „Größer als im Fernsehen“ inszeniert, und es scheint, als schwänge im Titel eine unheilvolle Ahnung mit. Schnees Komödie (Drehbuch von Benjamin Hessler) ist von zu vielem ein wenig und nichts richtig. Da ist der Versuch einer Kapitalismuskritik, die die hilflose Hörigkeit kleiner Gemeinden gegenüber Großinvestoren („Wir wollen das! Was brauchen Sie?“) aufspießt. Da ist ein Hauch von Medienkritik, aufgehängt an Casting- und Reality-TV-Formaten, an denen so wenig real ist wie an der Begeisterung der Körsteler für Nicos dürftige Darbietungen.

Und wenn dieser Nico sagt, er habe den Auftritt vor den Heuchlern genossen, weil ja seine Musik echt war, dann würde man gern glauben, dass das Satire sein soll. Aber dann singt er, und es wird rührselig. Ein seltsamer Anblick, in rosafarbener Unterhose. Ihm fehlt die Agilität der Red Hot Chili Peppers, ihr Charakter, ihr Witz. Dieser Mann hat kein Recht, Tennissocken zu tragen. Und er weiß es.

Fazit: Verhoben. Thematisch unentschiedene Satire mit unglaubwürdigem Drehbuch.

(von Markus Schünemann)

• Freitag, 5. April, 20.15 Uhr, Arte: „Größer als im Fernsehen“