Berlin. Tom Schilling ist als Bertolt Brecht im ARD-Dokudrama „Brecht“ zu sehen. Intellektuelle will er nun allerdings nicht mehr spielen.

Ein größerer Kontrast ist kaum denkbar. Gerade läuft „Die Goldfische“ im Kino, Tom Schillings erste reine Mainstreamkomödie, noch dazu eine über Behinderte.

Jetzt ist Heinrich Breloers Zweiteiler „Brecht“ im Fernsehen (beide Teile am Mittwoch, ab 20.15 Uhr, in der ARD), in dem Schilling den jungen Dramatiker spielt. Über diese Ballung ist der 37-Jährige nicht besonders glücklich. Wir haben den Berliner zu einem Spaziergang getroffen.

„Die Goldfische“ ist eine Komödie über Menschen mit Behinderung. Fragt man sich da, ob man das darf?

Tom Schilling: Ich hatte ein bisschen Bedenken, ob mir das gefällt, ob das eine Komik hat, die mir gefällt. Aber dann habe ich das Drehbuch gelesen und war komplett überzeugt. Ich las da viel Herz heraus, und auch viel Erfahrung mit dem Thema. Der Humor ist überdreht, aber nie karikaturesk, kein Kasperletheater. Das war genial geschrieben. Und das von einem Debütanten!

Für die ARD spielen Sie in einem Zweiteiler den jungen Bertolt Brecht. Wie nahe ist Ihnen der Dramatiker, wie stehen Sie denn zu ihm?

Tom Schilling als Bertolt Brecht in Heinrich Breloers ARD-Dokudrama
Tom Schilling als Bertolt Brecht in Heinrich Breloers ARD-Dokudrama "Brecht". © dpa | Stefan Falke

Schilling: Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich ihm genähert habe. Brecht ist mir in vielem fremd, etwa wie er mit Frauen umging, überhaupt was für ein fordernder und selbstgerechter Mensch er war. Es ist mit Sicherheit die ungreifbarste Figur, die ich bisher gespielt habe. Ich habe dann aber irgendwann mal Fünfe gerade sein lassen und gesagt: Ich muss nicht immer alles begreifen. Wie Leander Haußmann mir mal geraten hat: „Nicht zu viel nachdenken – machen!“ Da ist viel dran. Brecht habe ich mich, so blöd es klingt, übers Rauchen angenähert. Erst mal war wichtig, dass man mir das Zigarrerauchen abnimmt. Dann kamen auch die Dialoge wie von allein.

Wie gehen Sie eigentlich damit um, wenn die Kritiken mal nicht so euphorisch sind?

Schilling: Das ist eine Frage, die mich gerade sehr umtreibt: Wann ist gut gut genug? Reicht es, wenn ich den Film toll finde? Natürlich lässt mich das nicht kalt, wenn ich einen Film sehr mag und der dann vielleicht nicht so ankommt. Aber die Frage ist, wie sehr man sich davon abhängig macht. Natürlich wünsche ich mir, dass ein Film auch ein Publikum erreicht. Ich will die Leute ja berühren. Und ich spiele mit jedem Film um mein Leben. Als ich meinen ersten Film gemacht habe, „Crazy“, haben wir den in Locarno vor 5000 Leuten gezeigt und alle haben an den richtigen Stellen gelacht. Das gab mir wahnsinnig viel zurück. Es wäre auch komisch, wenn es mich kaltließe, wenn ein Film mal nicht ankommt. Gesünder wär’s natürlich.

Sie haben erst den Künstler Gerhard Richter gespielt und dann Bertolt Brecht. Was kommt da wohl als Nächstes?

Schilling: Keine Künstler mehr, nie mehr kluge Intellektuelle. Das ist schon mal sicher! Ich mache mir doch selbst schon immer einen Kopf über alles. Dann noch lauter kluge Dinge zu sagen, diese Last, diese Schwere, ständig zu reflektieren, das zehrt ganz schön. Nach diesen beiden Rollen habe ich nach einem kras­sen Kontrast gesucht und ihn mit „Die Goldfische“ gefunden.

Sie waren mit „Werk ohne Autor“ auch bei der Oscar-Verleihung. Wie haben Sie das erlebt?

Schilling: Ich hab da ein etwas schlechtes Gewissen, dass ich nicht so überwältigt war. Aber so war es leider. In den USA, das ist kein Klischee, muss man sich auch ein bisschen geil finden und sich selbstbewusst inszenieren können. Der Teppich scheint da wichtiger als das, was sich drinnen abspielt. Das liegt mir so gar nicht.

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Würde es Sie eigentlich reizen, einmal in Hollywood zu arbeiten?

Schilling: Das kommt immer auf den Inhalt an. Nicht um jeden Preis. Film kann auch ein schnödes, herzloses Business sein, wo es heißt: Du hast einen Vertrag, sag deine Sätze. Diese Art von Arbeit interessiert mich gar nicht. Ich mag Filme, mit denen man auf eine Reise geht. Wo man mit dem Team eine Gang bildet. Bei den meisten Angeboten, die man als Deutscher im Ausland bekommt, bist du doch nur in einem mittelmäßigen Film der dritte Nazi von rechts. Das wäre nichts für mich. Ich würde mich natürlich freuen, mit den tollen Leuten aus Amerika zu arbeiten. Wie Christoph Waltz und Daniel Brühl mit Quentin Tarantino.