Berlin. Lange waren die Schülerinnen der legendären Bauhaus-Designschule vergessen. Nun bekommen die „Bauhausmädels“ ihre eigene Ausstellung.

Radikales Design, markantes Handwerk, geniale Architektur und Vorläufer einer modernen Gesellschaft. Dafür steht das Bauhaus bis heute. Und obwohl die vor 100 Jahren in Weimar gegründete Kunstschule anfangs auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau setzte und sogar 500 Frauen an der Akademie studierten, sind die meisten von ihnen lange vergessen gewesen.

Bis zum diesjährigen Jubiläum: Auf einmal hat die Gesellschaft die Frauen, die unterschätzten Meisterinnen der Moderne, wiederentdeckt. Und sie werden gefeiert mit opulenten Bildbänden, Ausstellungen, TV-Dokumentationen und zuletzt sogar mit dem ARD-Spielfilm „Lotte am Bauhaus“. Auf allen Ebenen ist ein Hype um die „Bauhausmädels“ ausgebrochen.

Ausstellung „Vier Bauhausmädels“ in Erfurt

Auf den Fluren der Bauhaus-Akademie 1927: Die 1919 gegründete Kunstschule setzte auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau, 500 Frauen studierten dort.
Auf den Fluren der Bauhaus-Akademie 1927: Die 1919 gegründete Kunstschule setzte auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau, 500 Frauen studierten dort. © © Bauhaus-Archiv, Berlin | © Estate of T. Lux Feininger

Wer sich über den etwas unzeitgemäßen Begriff „Bauhausmädels“ wundert, muss Professor Patrick Rössler aus Erfurt fragen, er ist Autor des gleichnamigen Buches (Taschen Verlag) und Kurator der Ausstellung „Vier Bauhausmädels“, die am 23. März in Erfurt eröffnet wird. „Es gab keine Bauhaus-Frauen! Bauhausmädels, das war ein feststehender Begriff. Und wer es auf die Kunstschule geschafft hatte, konnte stolz sein, dazuzugehören“, erklärt Rössler unserer Redaktion. „Bauhausmädel zu sein war eine Auszeichnung.“

Die Schüler und Schülerinnen waren zur Gründungszeit 1919 durchschnittlich 17 bis 18 Jahre alt. Das Bauhaus verstand sich als Schule, nicht als Universität, wer dorthin wollte, musste eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Die Lehrer waren nicht Professoren, sondern Meister.

Die „Bauhausmädels“ wirken unverschämt modern

Bauhaus-Frauen faszinieren heute, weil sie den Mut hatten, in eine Männerwelt vorzupreschen und die Kraft, wirklich Neues zu schaffen. Ein Thema, das auch 100 Jahre später immer noch aktuell ist. Aber auch ihr Aussehen, überliefert durch Fotos dieser Zeit, wirkt heute noch unverschämt modern, kurzes Haar, freche Gesichter, sportliche Körper.

Die wichtigsten Repräsentantinnen sind Anni Albers, die eigentlich Malerin werden wollte, aber in der Weberei des Bauhaus ihren künstlerischen Weg fand. In der NS-Zeit wanderte sie zusammen mit ihrem Mann in die USA aus, bis heute prägen ihre Arbeiten die Mode. Oder Alma Buscher, sie entwarf bunt lackiertes Kinderspielzeug und praktische und bespielbare Kindermöbel, die heute noch original nachgebaut werden, aber auch in ähnlichem Stil von Ikea produziert werden. Sie starb 1944 bei einem Bombenangriff in Frankfurt.

Ihre Biografien erzählen deutsche Geschichte

Andere „Bauhausmädels“ waren Gertrud Grunow, Lotte Stam-Beese, Lilly Reich oder Margarete Heymann-Loebenstein. Ihre Biografien erzählen von den Kriegen, der Teilung Deutschlands, von Emigration und dem Tod in den deutschen Konzentrationslagern.

Die Fotografin Lucia Moholy prägte mit ihren Bildern die Sicht auf die Werke des Bauhaus, aber auch auf die Künstler der Strömung. Sie war es auch, die die Produkte aus den Werkstätten so fotografierte, dass ihre Bilder schließlich um die Welt gingen. Übermittlerin des Neuen und damit Teilhaberin am Erfolg der berühmten Wagenfeld-Lampe, des Stahlrohrstuhls von Marcel Breuer, aber auch des Tee-Kännchens von Marianne Brandt.

Brandts Kanne wird bis heute nachgebaut

Das Tee-Kännchen MT 49 von Marianne Brandt wird bis heute von Firmen wie Alessi nachgebaut (Aufnahme von 1924).
Das Tee-Kännchen MT 49 von Marianne Brandt wird bis heute von Firmen wie Alessi nachgebaut (Aufnahme von 1924). © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Zentralbild

Diese kugelförmige Kanne aus Metall wird noch heute von Firmen wie Alessi nachgebaut. Brandt war die einzige Frau, die damals in der Metallklasse arbeiten durfte – und war schnell erfolgreicher als viele ihrer Kommilitonen. Ihre Lehrer waren Josef Albers, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Laszlo Moholy-Nagy.

Als das Bauhaus von Weimar nach Dessau zog, ging sie mit und entwarf bereits 1926 die Lampen für das neue Dessauer Bauhausgebäude. Für ein Jahr wurde sie sogar Leiterin der Metallwerkstatt. 1929 verließ sie das Bauhaus und zog sich während der Herrschaft der Nationalsozialisten in ihr Elternhaus nach Chemnitz zurück.

Die „Bauhausmädels“ wurden lange ignoriert

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie von keinem Geringeren als Mart Stam an die Hochschule für Bildende Künste in Dresden berufen. In der DDR unterrichtete sie außerdem in der Berliner Kunsthochschule Weißensee. Trotz ihres immensen Erfolgs erlangte ihr Name nie so einen Lautstärke und Wirkung wie der von Bauhausgründer Walter Gropius, Marcel Breuer, Lyonel Feininger oder Ludwig Mies van der Rohe. Nicht ganz ohne Grund, denn die „Bauhausmädels“ wurden lange ignoriert.

„Es gab eine Systematik dahinter, Walter Gropius hat bis in die 1960er-Jahre hinein einen Freundeskreis um sich herum gebildet und die Männer, die dazugehörten, haben die Wahrnehmung des Bauhauses geprägt“, sagt Patrick Rössler.

Die Autorin Theresia Enzensberger inszenierte ihren ersten Roman „Blaupause“ im Bauhaus-Milieu.

Wohnen im Architektur-Museum

weitere Videos

    Im Gespräch mit dem MDR erzählte die junge Autorin mal, dass sie selbst gern beim Bauhaus dabei gewesen wäre. 100 Jahre nach der Gründung der revolutionärsten Kunstschule der Moderne scheint die Zeit endlich reif für die Bauhaus-Frauen.