Essen. Fanny Ardant gilt als unangepasste Diva des französischen Films. Zum 70. Geburtstag spricht sie über morbide Gedanken, Moral und Liebe.

Leidenschaftlich, authentisch, unkonventionell: So wird Fanny Ardant oft beschrieben. Im Gegensatz zu anderen französischen Diven wie Catherine Deneuve oder Juliette Binoche umweht sie auch immer ein Hauch Exzen­trik. Ihre Filme wie „Die Frau nebenan“ oder „8 Frauen“ aber sind über jeden künstlerischen Zweifel erhaben. Freitag wird Fanny Ardant 70 Jahre alt.

Frau Ardant, haben Sie jemals etwas gegen den Alterungsprozess getan?

Fanny Ardant: Nein, denn ich hatte nie Lust. Ich wollte einfach nach meinen Vorstellungen leben. Ich will sowieso nicht ewig leben. Mich interessiert eher, wie ich sterbe.

Haben Sie dazu schon eine Vorstellung?

Ardant: Ich weiß auf jeden Fall, dass ich bei mir zu Hause sterben will. Ich sage meinen Kindern: Nehmt mich ja nicht bei euch auf, wenn ich alt bin. Ich brauche kein Familienirrenhaus, sondern möchte allein wohnen. Und ich wünsche mir, dass es schnell geht. Am liebsten wäre mir, wenn mich jemand ersticht.

Ein etwas eigenartiger Wunsch.

Ardant: Das ist besser als Alzheimer. Und es wäre auch ein künstlerischer Akt. Denn es ist sehr schwer, jemanden mit einem Messer zu töten. Du musst es schaffen, durch die Rippen das Herz zu erreichen. Also, beim nächsten Gespräch bringen Sie bitte eines mit.

Lieber nicht. Aber Sie sind sich schon bewusst, dass das kein moralisch korrekter Wunsch ist?

Ein Klassiker: „Die Frau neben“ mit Gerard Depardieu.
Ein Klassiker: „Die Frau neben“ mit Gerard Depardieu. © picture alliance / United Archiv | United Archives/IFTN

Ardant: Aber wenn du streng moralisch korrekt denkst, hast du kein interessantes Leben. Du bist halb tot. Wenn du dir die Möglichkeiten dieses Daseins erschließen willst, dann musst du auch mit dem Bösen flirten. Das ist nicht ungefährlich, aber nur so erlebst du wahre Freiheit. Sie ist für mich viel wichtiger als Sicherheit. Und das schärft deine Intelligenz.

Es gibt eben keine Sonne ohne Schatten. Deshalb hat auch Kunst keine Moral. Nehmen Sie Baudelaire oder Caravaggio, das waren keine gesetzestreuen Bürger. Aber was haben wir ihnen alles zu verdanken! Künstler sind die wahren Herren der Welt – nicht die Politiker, nicht die Priester und schon gar nicht die Moralapostel. Denn sie haben unseren Blick auf das Leben erweitert.

Die Künstler, die Sie nannten, waren Außenseiter der Gesellschaft. Sind Sie selbst eine Außenseiterin?

Ardant: Aber sicher. Ich wollte nie Mitglied einer Gruppe oder Bewegung sein. In meinen jungen Jahren, als ich Politikwissenschaften studierte, war ich sehr politisch interessiert, aber dann nahm ich an Treffen von Aktivisten teil, und ich begann sie zu hassen. Ich wollte mich in keine Schublade einfügen. Ja, du hast einen sozialen Hintergrund, aber dem kannst du entkommen. Der wahre Reichtum eines Menschen steckt in seinen Widersprüchen.

Wobei es hier zugegebenermaßen einen Knackpunkt gibt. Denn mir ist klar, dass man sich mit jemandem zusammentun muss, um etwas zu erreichen. Es heißt nicht umsonst ‚Einigkeit macht stark.‘ Aber ich will andererseits meinen inneren Reichtum nicht verlieren.

Sie haben auch selbst Regie geführt und mit Filmemacherinnen wie Agnès Varda gedreht. Sind Frauen in der Zusammenarbeit anders als Männer?

Ardant: Das ist eine Klischeevorstellung. Offen gestanden kann ich Ihnen nicht sagen, was den Unterschied zwischen Männern und Frauen ausmacht, abgesehen von den Geschlechtsmerkmalen. Und von denen wird niemand definiert. Ich gehöre zur feministischen Generation, aber für mich waren die Grenzen zwischen den Geschlechtern immer fließend.

Ich bin von Männern auch nie chauvinistisch behandelt worden. Es ist mir egal, ob ein Mann oder eine Frau einen Film dreht, ich sehe einfach nur Menschen. Und es kommt darauf an, ob mich diese Menschen verführen, ob sie meine Intelligenz, meine Fantasie und mein Herz ansprechen.

Aktuell wird dank Bewegungen wie „#MeToo“ und „Time’s Up“ über sexuelle Diskriminierung diskutiert. Sie haben sich aber nicht in dieser Richtung geäußert.

Ardant: Der Punkt ist, dass ich zu sehr Individualistin bin. Ich will keiner Bewegung angehören. Und ich bin nicht unbedingt eine moralische Person. Deshalb will ich mich nicht zur Richterin aufschwingen. Und ich werde auch niemanden verpfeifen. Das gehört wiederum zu meinen Widersprüchen.

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