Köln. Der WDR startet in der Mediathek einen Doku-Kanal, um ein jüngeres Publikum zu erreichen. Auch auf Youtube sind viele Dokus abrufbar.

Weihnachten ist noch weit weg, aber Jörg Schönenborn hat dennoch einen Wunsch. „Eine große öffentlich-rechtliche Mediathek“ hätte er gerne, sagte der WDR-Fernsehdirektor jüngst in Köln. Nicht nur, aber auch für die vielen Dokumentationen, die der Sender im Programm hat – 355 waren es allein 2018. Dass sich so eine gemeinsame Mediathek nicht über Nacht eröffnen lässt, ist Schönenborn klar. „Vielleicht nicht morgen, aber übermorgen.“

Weil es aber gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen etwas länger dauern kann, weitet der WDR sein Doku-Angebot erst einmal über andere Wege aus: In der hauseigenen Mediathek gibt es nun einen speziellen, relativ übersichtlich gestalteten Doku-Kanal. Für Schönenborn eine logische Weiterentwicklung. „Wir folgen unserem Publikum konsequent dahin, wo es uns sucht. Das ist gerade bei den unter 30-Jährigen immer seltener das lineare Fernsehen und immer häufiger das Fernsehen im Netz.“

WDR-Dokus sind auch für Netflix relevant

Auf die eigene Seite allein will sich der Sender dabei allerdings nicht verlassen. Auch auf Youtube sind viele Dokumentationen und ein paar Dokumentarfilme abrufbar. Der vor rund 18 Monaten dort gestartete Kanal hat mittlerweile fast 200.000 Abonnenten. Einzelne Beiträge werden sogar über eine Million Mal abgerufen. Das seien Zahlen, sagt Schönenborn, die auch für Netflix relevant sein.

Anders als bei Serien sieht er bei Dokumentation allerdings noch keine große Gefahr durch die finanzstarken Streamingdienste. Zu stark seien die öffentlichen Angebote, nicht zu unterschätzen sei in vielen Fällen auch der spezielle, manchmal eng umrissene Kulturraum, über den eine Doku berichte – kaum vorstellbar, dass Netflix eine zehnteilige Reihe über NRW in den 80er-Jahren macht.

600 Drehtage mit Schimpansen

Der WDR hingegen baut gerne auf solche Formate. Ab August zeigt der Sender „Unser Land in den 90er-Jahren“. „Erlebnisfernsehen“ nennt Christiane Hinz, die Leiterin der WDR-Programmgruppe Dokumentation/Kultur und Geschichte, diese Art von Programmen. „Keine Draufsicht, sondern mittendrin“, erklärt sie das Konzept. Das erhält zwar wahrscheinlich nie Preise, lockte aber bei den vorherigen Auflagen mehr Zuschauer vor den Bildschirm als im Senderdurchschnitt und ist ideal für den Freitagabend, wo es im WDR schon lange „etwas leichter“ zugeht.

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Deshalb kann sich am 8. März der Bochumer Kabarettist und Autor Frank Goosen auf die Suche nach der „Seele des Ruhrgebiets“ begeben. Ab 18. März wird der WDR montags um 20.15 Uhr „Wilde Dynastien“ senden, eine BBC-Naturdokureihe, die 2018 zu den meistgesehenen Sendungen in England zählte. Für einzelne Folgen waren die Filmteams 600 Drehtage mit Schimpansen, Löwen oder Pinguinen unterwegs, um ihr Leben aus nächster Nähe zu filmen. „Das ist“, schwärmt Schönenborn, „ein neuer Meilenstein für das Genre.“

Auch wenn die fünf Folgen der Reihe vorbei sind, würde der Fernsehdirektor gerne Dokus auf dem so prominenten 20.15-Uhr-Sendeplatz sehen – selbst wenn die Quoten manchmal durchwachsen sind. Er halte die Symbolik für wichtig, sagt er. „Die ARD sieht einfach gut aus, wenn sie die Woche mit etwas Dokumentarischem beginnt.“