Gert Scobel: „Manchmal bin ich vermutlich ein Klugscheißer“
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Von Lion Grote
Berlin. Bildungsfernsehen ist schwierig. Wissenschaftsjournalist Gert Scobel versucht es in der nach ihm benannten 3Sat-Talkshow trotzdem.
Krasser könnte der Unterschied an einem Fernsehabend kaum sein: Auf dem einen Sender jettet TV-Modelmama Heidi Klum mal wieder mit einer hysterischen Gruppe Laufsteg-Anwärterinnen um den Globus, auf dem anderen Kanal diskutiert Wissenschaftsjournalist Gert Scobel mit drei Experten über die Vermüllung der Welt. Aus Quotensicht steht der Sieger des Abends schon fest: Heidi Klum bei Pro7. Gert Scobel wird’s egal sein.
Er misst den Erfolg seiner Sendung in anderen Maßstäben. „Ich begreife Fernsehen als ein Medium der Bildung, das auch dazu da ist, Erkenntnis zu vermitteln und Orientierung in einer zunehmend komplexeren Welt zu bieten.“
Seit 2008 moderiert der gebürtige Aachener die nach ihm benannte Talkshow „Scobel“ auf 3Sat. Es ist eine der ganz wenigen Sendungen im deutschen Fernsehen, in denen philosophische, naturwissenschaftliche und gesellschaftliche Themen mit Experten unterschiedlicher Fachgebiete debattiert werden – und das auch noch live.
Experten reden über Plastikmüll in den Meeren
In der Ausgabe an diesem Donnerstag geht es um „Die Plastikflut“. Mit sechs Millionen Tonnen Plastikmüll jährlich ist Deutschland immerhin negativer Spitzenreiter in Europa. Wissenschaftler warnen, dass es schon bald mehr Plastik als Fische in den Weltmeeren geben wird. Doch wie lässt sich die Katastrophe verhindern? Darüber sprechen die Physikerin Katharina Landfester, die Unternehmerin Sabine Oberhuber und der Volkswirt Henning Wilts.
Unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema darzustellen ist das Ziel – oder im Fachjargon: Interdisziplinär soll „Scobel“ sein. „Wenn man die Welt verstehen will, muss man interdisziplinär denken“, sagt Gert Scobel im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir können doch heutzutage nicht über Plastik oder Atommüll reden, ohne gleichzeitig auch über gesellschaftliche Probleme zu sprechen.“
Scobel will den gesamtgesellschaftlichen Ansatz
Beim Thema Plastik versucht Gert Scobel schon länger, bewusster zu handeln. „Wir verzichten zu Hause auf Plastikflaschen. Und wenn ich im Supermarkt die Wahl zwischen dem eingepackten und dem losen Feldsalat habe, nehme ich natürlich den losen“, sagt er. Warum Lebensmittel in Plastikfolie ein großes Problem sind.
Grundsätzlich fordert er aber einen breiteren Ansatz: „Die Diskussion läuft immer sehr stark darauf hinaus, was der einzelne Konsument tun kann, um auf Plastik zu verzichten. Wenn man aber wirklich etwas verändern will, braucht man kollektive, also politische und gesellschaftliche Lösungen mit juristischer Verbindlichkeit.“
http://Soviel_Plastik_verbraucht_eine_Familie
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Manchmal ist er wohl ein Klugscheißer, vermutet er
In den Tagen vor der Sendung werden die Nächte für Gert Scobel lang. Er vertieft sich in Fachliteratur, führt Vorgespräche und schaut Dokumentationen. Aber er braucht diese Hirnnahrung: Scobel studierte Philosophie und Theologie, schrieb Fachbücher, moderierte Sendungen wie das ARD-„Morgenmagazin“ und „Kulturjournal“ und ist nebenbei Honorarprofessor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Nervt so viel Wissen nicht mal? „Manchmal bin ich vermutlich ein Klugscheißer. Aber meine Familie nerve ich damit, glaube ich, nur selten.“ Es gehe ja nicht um ihn: „Jeder Moderator hat wahrscheinlich ein Eitelkeitsproblem. Aber ich gehöre eigentlich zu den Menschen, die auch privat ganz gut zuhören können. Ich muss nicht dauernd reden.“