Berlin. Die Bundesanwaltschaft hat zwei syrische Agenten festnehmen lassen. Einen in Berlin, einen in Rheinland-Pfalz.

Beamte des Bundeskriminalamtes in Berlin und Rheinland-Pfalz haben am Dienstag zwei ehemalige Mitarbeiter des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes verhaftet. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter wurde durch die Staatsanwaltschaft Paris in Frankreich festgenommen.

Es ist das erste Mal überhaupt, dass deutsche Ermittler wegen der Verbrechen im syrischen Bürgerkrieg gegen Mitarbeiter der Regierung vorgehen.

Einer der in Deutschland Festgenommenen, der 56-jährige Anwar R., sei dringend verdächtig, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Das teilte der Generalbundesanwalt in Karlsruhe am Mittwoch mit.

Ein Verhafteter soll Menschen gefoltert haben

Anwar R. soll demnach zwischen Ende April 2011 und Anfang September 2012 als hochrangiger Mitarbeiter des Geheimdienstes an systematischen und brutalen Folterungen und körperlichen Misshandlungen als Mittäter beteiligt gewesen sein.

Dem zweiten Beschuldigten Eyad A. (42) werde vorgeworfen, zwischen Anfang Juli 2011 und Mitte Januar 2012 bei der Tötung von zwei Menschen sowie der Folterung und körperlichen Misshandlung von mindestens 2000 Menschen geholfen zu haben.

Systematische Folter mithilfe der Geheimdienste

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sprach von einem wichtigen Zeichen. „Die Gräueltaten des syrischen Regimes können international verfolgt werden“, erklärte sie in Berlin.

Wie der Generalbundesanwalt weiter mitteilt, habe das syrische Regime spätestens seit April 2011 mithilfe der Geheimdienste versucht, Kritiker zu unterdrücken. In den Foltergefängnissen von Präsident Baschar al-Assad verschwanden ungezählte Oppositionelle.

Täglich rund 100 Regime-Gegner ins Gefängnis gebracht

Anwar R. leitete demnach die sogenannte Ermittlungsabteilung mit angeschlossenem Gefängnis, in dem die Insassen bei ihren Vernehmungen gefoltert wurden. In dieser Funktion habe er auch den Einsatz von systematischen und brutalen Folterungen befehligt.

Eyad A.s Aufgabe sei es gewesen, als Zuarbeiter von R. Deserteure, Demonstranten und sonstige Verdächtige bei Kontrollen ausfindig zu machen. Täglich seien rund 100 Menschen festgenommen, in das von Anwar R. geleitete Gefängnis gebracht und dort gefoltert worden.

Beschuldigte 2012 aus Syrien ausgereist

R. und A. sitzen nun in Untersuchungshaft. Sie waren 2012 aus Syrien ausgereist. Wie beide Männer nach Deutschland kamen und warum, wurde nicht mitgeteilt. Anwar R. soll seit 2014 im Land sein, Eyad A. seit 2018.

Nach Informationen des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das nach eigenen Angaben in dem Verfahren mehrere Folterüberlebende vertritt, waren die beiden Syrer schon vor längerer Zeit desertiert.

Anwar R. von Folteropfern wiedererkannt

Anwar R. habe sich über Jordanien nach Deutschland abgesetzt. Er sei nach seiner Ankunft in der Bundesrepublik von Folteropfern erkannt worden, sagte ein Mitarbeiter der Organisation am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Ein weiterer Mitarbeiter aus der Abteilung von Anwar R. wurde laut Bundesanwaltschaft ebenfalls am Dienstag in Frankreich durch die Staatsanwaltschaft Paris gefasst. Die Festnahmen seien in einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe aufeinander abgestimmt worden.

Bundesanwaltschaft sammelt Hinweise auf Kriegsverbrechen

Die deutsche Justiz ist im Ausland eigentlich nur dann zuständig, wenn ein Deutscher Täter oder Opfer ist. Schwerste Völkerrechtsverbrechen können nach dem Weltrechtsprinzip aber überall verfolgt werden, wenn der Täter sonst straffrei bliebe.

Bei der Bundesanwaltschaft sammelt die Abteilung Völkerstrafrecht seit 2011 in einem sogenannten Strukturverfahren Tausende Hinweise auf Kriegsverbrechen in Syrien. So werteten die Ermittler Zehntausende Bilddateien aus, die Leichen mit Folterspuren zeigen.

Folter-Überlebende stellten Strafanzeigen

Im März 2017 hatten sieben Überlebende aus Foltergefängnissen in Syrien beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen sechs Geheimdienstchefs und weitere Tatverdächtige aus den Reihen der Assad-Regierung gestellt. Ob die jetzigen Festnahmen damit in Zusammenhang stehen, war zunächst unklar.

ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck kündigte an, dass die von seiner Nichtregierungsorganisation unterstützten Folteropfer in einem möglichen Prozess als Nebenkläger auftreten würden. Sechs von ihnen seien vom Bundeskriminalamt als Zeugen vernommen worden, hieß es. (cho/tki/dpa)