Trotz Spottpreis: Warum niemand diese Villa kaufen will
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Von Jochen Wittmann
London. Im englischen Norfolk steht seit Jahren ein freistehendes Landhaus zum Verkauf. Der einzige Makel scheint das Gräberfeld im Vorgarten.
In der englischen Grafschaft Norfolk können Hauskäufer ein echtes Schnäppchen erstehen: Eine Villa, frei stehend, für 115.000 Euro unter Preis. Normalerweise würden ihm die Bewerber die Bude einrennen – doch davon kann bei diesem Objekt nicht die Rede sein, sagt Makler Emmerson Dutton. Der Grund: Da, wo sonst Gartenstühle zum Ausruhen einladen, befindet sich ein Friedhof mit 22 Grabsteinen.
„Ich bin sicher, dass die Grabsteine ein Faktor sind, der manche Leute abschreckt“, sagt Emmerson Dutton vom Maklerbüro Bedfords. Ursprünglich sollte das Traumhaus 595.000 Pfund kosten, dann ging man, als sich kaum jemand interessierte, um 50.000 Pfund herunter. Mittlerweile ist das Objekt für 490.000 Pfund, umgerechnet circa 558.000 Euro, zu haben.
Das Gräberfeld muss bleiben
Vieles ließe sich mit Gartendeko verändern – aber nicht der Totenacker, so der Makler. Und selbst einem noch so begnadeten Hobbygärtner sind die Hände gebunden: Das Gräberfeld darf nicht in etwas anderes umgewandelt werden. Es muss so bleiben, wie es ist. Denn es gehört der anglikanischen Staatskirche in Erbpacht für die nächsten 999 Jahre.
Das heißt: Die Grabsteine, so ein Gemeindebeschluss, dürfen nicht entfernt werden, weil sie zum traditionellen Charakter des Dörfchens beitragen. Bis vor wenigen Jahren fungierte das Haus im Dorf North Lopham noch als Kapelle der Methodistenkirche, und früher war es üblich in England, auf dem Kirchhof die Gemeindemitglieder zu beerdigen. 2014 wurde die Kapelle geschlossen, entweiht und als Wohnhaus umgebaut.
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Gehobenes Wohnen auf 210 Quadratmetern
Wer erst einmal den Schock des Friedhofs überwunden hat und sich traut, einen Blick ins Innere zu werfen, wird angenehm überrascht: Das Haus wurde 2010 von Grund auf renoviert und lädt auf 210 Quadratmetern Fläche zum gehobenen Wohnen ein: Neben dem Wohnzimmer stehen drei Schlafzimmer, zwei Badezimmer und eine riesige, gut 83 Quadratmeter große Wohnküche zur Verfügung.
Auch an den Materialien wurde nicht gespart: solide Eichenböden im Wohnbereich, Granit in der Küche, überall Fußbodenheizung und zeitgemäßes Finish in den Badezimmern. Der hintere Garten – ganz ohne Gräber – öffnet sich zu einem Feld hin.
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„An Halloween könnte es ein Problem werden“
Und, glaubt man dem Makler, müssen die künftigen Bewohner auch nicht befürchten, dass Friedhofsbesucher vor dem Gartentor stehen, um ihre toten Verwandten zu besuchen: Bei den 22 Gräbern und Gruften handelt es sich um Ruhestätten von 1870. Höchstens einmal im Jahr könnte es zu einem gewissen Ansturm kommen, meint Makler Dutton. „An Halloween könnte es ein Problem werden“ – wenn gruselbegeisterte Briten das Spukhaus als Pilgerziel auswählen.
Einige Leute im Ort können die Vorbehalte nicht verstehen: Gwen Dilloway zum Beispiel hätte nichts dagegen, in die ehemalige Kapelle zu ziehen, wenn sie es sich leisten könnte. „Es würde mir überhaupt nichts ausmachen. Leute, die tot und beerdigt sind, können mir nichts antun“, sagt die 65-Jährige.
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Brexit drückt die Immobilienpreise
In Zeiten des Brexit hat das Interesse auf dem Immobilienmarkt im Königreich nachgelassen, sagt Makler Dutton. In London, das jahrelang ein Hotspot des Immobilienbooms war, sind die Preise im letzten Jahr um 1,7 Prozent zurückgegangen.
Allerdings ist die Grafschaft Norfolk ausgenommen. Hier stieg der Preis um acht Prozent. Idyllische Landschaft, perfekte Verkehrsanbindung nach London. Und die Schulen in der Gegend gelten als hervorragend. Wenn da nur nicht die Leichen im Vorgarten wären.