Nürnberg/Berlin. Ein 17- und ein 20-Jähriger sollen Fahrzeuge auf Autobahnen mit Steinen attackiert haben. Jetzt wird ihnen versuchter Mord vorgeworfen.

Lebenslange Haft für einen beschämenden Jungenstreich? Der Prozess gegen zwei Steinewerfer, der am Montag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth begann, kann Signalwirkung entfalten: Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen versuchten Mord vor, weil sie das Leben mehrerer Autofahrer in Gefahr gebracht haben.

Der 17- und der 20-Jährige hatten sich auf einer Party kennengelernt und zogen im Mai 2018 marodierend durch Nürnberg und Umgebung. Erst fackelten sie laut Anklage mithilfe eines Brandbeschleunigers ein leer stehendes Fabrikgebäude ab, dann warfen sie Steine auf einen Regionalzug, wodurch drei Scheiben zu Bruch gingen.

Schließlich schleppten sie bis zu 3,6 Kilogramm schwere Pflastersteine und Holzpaletten auf Brücken und schleuderten sie auf die Autobahnen A3 und A73. Sie trafen sechs Fahrzeuge, der Beifahrer eines Lasters erlitt Schnittwunden, als ein Stein die Windschutzscheibe durchschlug.

Lange Gefängnisstrafen drohen

Zwei Autos fuhren über die auf dem Asphalt liegenden Gegenstände, der Sachschaden betrug rund 20.000 Euro. Dass nichts Schlimmeres passierte, war reiner Zufall, glaubt die Staatsanwaltschaft. Sollten die beiden Beschuldigten tatsächlich wegen versuchten Mordes verurteilt werden, drohen ihnen lange Gefängnisstrafen.

Sie schieben sich gegenseitig die Schuld zu. „Der Ältere hat die Vorwürfe eingeräumt und ausgesagt, die Idee stamme von dem 17-Jährigen. Der wiederum behauptet, er habe nichts gemacht, nur geholfen, die Paletten auf die Brücken zu schaffen. Der 20-Jährige sei die treibende Kraft gewesen“, berichtet Gerichtssprecher Friedrich Weitner unserer Redaktion.

Er ist einer der wenigen Menschen, die wissen, was sich hinter der verschlossenen Tür des Verhandlungssaals abgespielt hat, denn das Landgericht hat die Öffentlichkeit mit Verweis auf das Alter des Minderjährigen ausgeschlossen. „Er macht einen bedrückten Eindruck“, so Weitner. Der Ältere habe auf die Frage, warum er die Autos beworfen hat, geantwortet: „Das frage ich mich seit Monaten.“

Erinnerungen an Mordurteil gegen Raser

Im Verlauf der kommenden Prozesstage wird es um die Frage gehen, wie schwer die Schuld der beiden wirklich wiegt. Ob ihre Aktion ein völlig aus dem Ruder gelaufener Schabernack war, über dessen Folgen sie schlicht nicht nachgedacht haben – oder ob sie den bedingten Vorsatz hatten, jemanden umzubringen. Das würde in etwa bedeuten, dass sie die Autofahrer nicht töten wollten, diese Möglichkeit aber in Kauf genommen haben, als sie die Steine auf die Fahrbahn warfen.

Der Fall weckt Erinnerungen an das umstrittene Mordurteil gegen zwei Raser in Berlin. Die Endzwanziger hatten sich vor drei Jahren nahe dem Ku’damm ein illegales Autorennen geliefert und waren mit weit über 100 Stundenkilometern über rote Ampeln gerast. Einer krachte in den Wagen eines pensionierten Arztes, der unbeteiligte Mann starb noch am Unfallort.

Im Februar 2017 wurden sie wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln verurteilt. Im März 2018 hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung allerdings wieder auf, das letzte Urteil ist noch nicht gesprochen.

Die Angeklagten aus Nürnberg hoffen, dass ihnen die Höchststrafe erspart bleibt. Ein Urteil soll am 11. Februar fallen.