Goslar. 900 Menschen sterben jährlich bei Unfällen mit Lkw und Bussen. Experten fordern eine Pflicht für die Einführung von Abbiegeassistenten.

Sie sterben, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. So wie die 17-jährige Schülerin, die am Dienstag auf ihrem Rad in Oldenburg unterwegs war und von einem 58-jährigen Lkw-Fahrer übersehen wurde, der rechts abbiegen wollte – wohl weil sich die junge Frau im toten Winkel befand. Vergangene Woche wurde in Hannover ein Elfjähriger von einem Müllwagen tödlich erfasst.

Tausende von Radfahrern und Fußgängern in Deutschland sind jedes Jahr in schwere Unfälle mit Lkw oder Bussen verwickelt. Und seit Jahren darüber gestritten, wie und zu welchen Kosten diese Gefahr technisch verringert werden kann.

Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutieren derzeit die führenden Experten über diese Frage: Werden Abbiege­assistenz- und Notbremssysteme für Lkw zur Pflicht?

30 Radfahrer sterben jährlich bei Unfällen mit Lkw

Nach Angaben des ADAC kommen in Deutschland jedes Jahr 900 Menschen bei Unfällen unter Beteiligung von Lastern und Bussen ums Leben, etwa 8500 werden schwer verletzt. Alleine 30 Radfahrer sterben jährlich, „weil sie von einem Lkw beim Abbiegen nicht gesehen werden“, sagt Julia Fohmann, Sprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) in Berlin.

Die Allianz für mehr Verkehrssicherheit an dieser Stelle ist so breit wie bei kaum einem anderen Thema. Die Automobilclubs, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club, Sicherheitsexperten und Versicherer machen sich dafür stark, die rund 1000 Euro teure Technik einzuführen. Gemeint ist eine Art Kamerasensorik an den Außenspiegeln, die den Fahrer durch Bild und Warntöne auf Gefahren hinweist.

Auch Juristen und Vertreter der Industrie sind dafür. „Wenn alle Lkw mit Abbiegeassistenten ausgerüstet wären, könnte das viele Menschenleben retten“, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung.

Auch der Fahrerverband stimmt zu

Neu zugelassene Lkw müssen zwar seit Ende 2015 damit ausgestattet sein. Brockmann aber will sich in Goslar für gesetzliche Nachrüstungen einsetzen. Aber was sagt die andere Seite? Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr erklärt: „Fahrassistenzsysteme, insbesondere Notbrems- und Abbiegeassistenten, müssen konsequent eingesetzt und weiterentwickelt werden.“

Für Menschen wie Julia H. aus Braunschweig kommt das zu spät. Als Achtjährige stand sie 2001 im toten Winkel, als der Fahrer des Lkw die Kreuzung verließ und rechts abbog. Der Fahrer sah sie nicht, schnitt die Kurve, erfasste sie. Julia fiel hin, der Lkw rollte über ihr Bein.

Ein Passant rettete ihr Leben. Für Julias Mutter ist die heutige Diskussion viel zu zähflüssig. „Man hätte mit dieser Technik den Menschen viel Leid ersparen können“, sagt sie. „Schon lange.“