Magdeburg. Ein Pärchen prellte Mieten und plünderte Autos: Trotzdem blieben die beiden Intensivtäter ohne Haftbefehl. Wie konnte das passieren?

Am Anfang war das Entsetzen des Vermieters. Für mehrere Monate hatten eine 39-Jährige und ihr 41-jähriger Lebensgefährte eine Wohnung im Magdeburger Stadtteil Alte Neustadt bezogen. Gezahlt haben sie dafür nie. Der Vermieter wollte die Rückstände mit dem Paar klären. Doch als er die Wohnung aufsuchte, waren die beiden verschwunden, hinterlassen wurde einzig Chaos – der Vermieter war sogenannten Mietnomaden aufgesessen.

Durch diesen Vorfall vom Juni 2017 wurde die Polizei erstmals auf das Paar aufmerksam. Doch die geprellte Miete war nur die Spitze eines Eisbergs. 640 Straftaten sollen die beiden Deutschen begangen haben. Einbrüche, Diebstahl, EC-Kartenbetrug, aufgeknackte Autos und Briefkästen – es war ein wahrer Feldzug, mit dem das Paar seine Drogensucht finanzierte. Von „Bonnie und Clyde aus Sachsen-Anhalt“ spricht bereits die örtliche Presse.

Im Dezember 2018 nun schloss die Polizei in Magdeburg ihre Ermittlungen „erfolgreich ab“, wie sie jetzt mitgeteilt hat. Die Staatsanwaltschaft hat bereits mehrfach Anklage erhoben. Haftbefehl erließ sie nicht. Die Bedingungen dafür, etwa Flucht- oder Verdunklungsgefahr, lägen nicht vor, so Staatsanwalt Frank Baumgarten. Zudem befindet sich die Frau derzeit in einer stationären Drogentherapie. Wann der Prozess gegen das Duo beginnt, steht noch nicht fest.

„Die Täter gingen eher dreist als professionell vor“, sagt Polizeisprecherin Heidi Winter. „Schon in der ersten Wohnung machten sie sich keine Mühe, Spuren zu verwischen. Überall lagen gestohlene Dokumente oder Bankkarten, die auf weitere Straftaten hinwiesen.“

Duo logierte in Hotels und bestellte Waren im Internet

Ausreichend professionell beging das Paar jedoch erfolgreich weitere Delikte – während die Ermittlungen bereits gestartet waren. Nichts blieb vor ihnen sicher: Sie stiegen in Wohnungen, Büros, Schulen und Turnhallen ein, brachen Autos auf, stahlen Schlüssel, Bankkarten und Dokumente, mit denen sie noch mehr Straftaten begingen, etwa Waren bestellten, ohne zu bezahlen.

Auch mietete sich das Paar in einer neuen Wohnung ein – freilich wieder ohne die Miete zu zahlen. Zwischenzeitlich logierten sie auch in Hotels – und stahlen sich an der Rechnung vorbei. Im März 2018 richtete die Polizei schließlich die Ermittlungsgruppe „Brieftasche“ ein. Bereits bestehende Verfahren gegen die beiden flossen in deren Arbeit ein. Zeitweise arbeiteten bis zu fünf Kriminalbeamte an dem Fall.

„Uns war schnell klar, dass wir es hier mit Intensivtätern zu tun haben“, teilte Uwe Leistner von der Polizei Magdeburg mit. „Durch die zeitnahe Einrichtung der Ermittlungsgruppe konnten wir bereits nach kurzer Zeit erste Aufklärungsergebnisse erzielen.“

Betrugs- und auch Diebstahldelikte

Anderthalb Jahre erscheinen nun nicht unbedingt als kurze Zeit. Sprecherin Winter erklärt die Dauer damit, dass aufwendig Daten abgeglichen und zurückverfolgt werden mussten. Zudem hätte es zunächst verschiedene Zuständigkeiten gegeben, etwa weil es sich sowohl um Betrugs- als auch um Diebstahlsdelikte gehandelt habe.

Welche Maßnahmen hat die Polizei nun ergriffen? „Mit der Beschuldigten konnten eingehende Gespräche zu ihrem Lebenswandel geführt werden“, heißt es in der Mitteilung. Übersetzt: Der Frau wurden die Leviten gelesen. Zugleich sei sie bei Amtsgängen unterstützt worden und man habe „in ihrem sozialen Umfeld vermittelt“ sowie die Drogentherapie eingeleitet. Und der Mann? Er verweigert jedwede Zusammenarbeit.