Madrid. In Spanien werden kaum Babys geboren. Folge: eine dramatische Überalterung und Tausende Geisterdörfer. Die Gründe sind offensichtlich.

Die Straße ist von Unkraut überwuchert, die meisten Häuser sind eingestürzt, die Kirche wurde vor langer Zeit aufgegeben: Rund 7000 Geisterdörfer gibt es in Spanien, die einstigen Bewohner sind tot oder weggezogen.

Das Land leidet unter einem dramatischen Bevölkerungsschwund. Es werden immer weniger Kinder gezeugt, die Sterberate ist längst höher als die Geburtenrate. „Vom Babyboom zum Todesboom“, schreibt die nationale Zeitung „ABC“.

Mittlerweile kommen so wenig Babys zur Welt, dass das lange als besonders kinderfreundlich geltende Spanien heute die niedrigste Geburtenrate der gesamten EU hat.

„Fernsehen abschalten und Heizung abdrehen“

„Die Spanier laufen Gefahr, auszusterben“, mahnt Emilio Calatayud, ein populärer spanischer Jugendrichter aus der andalusischen Stadt Granada, der sich regelmäßig in die gesellschaftlichen Debatten der Nation einmischt.

Calatayud empfiehlt eine ziemlich drastische, wenn auch nicht ganz ernst gemeinte Maßnahme, um die Lust auf Nachwuchs anzukurbeln: „Um neun Uhr abends sollte man Fernseher und Internet abschalten, die Kneipen schließen und die Heizung abdrehen. Und in zehn Monaten werden wir dann sehen.“

Calatayud weiß natürlich, dass die Babykrise in Wirklichkeit andere Gründe hat. Familienforscher machen vor allem die Verarmung von Spaniens junger Generation für den Nachwuchsmangel verantwortlich: Hohe Arbeitslosigkeit, Dumpinglöhne, prekäre Jobbedingungen, das Fehlen bezahlbaren Wohnraums sowie einer staatlichen Familienförderung haben dazu geführt, dass sich viele Paare Nachkommen schlicht nicht mehr leisten könnten.

Kinder sind in Spanien ein Luxusgut

„Kinder sind zu einem Luxusgut geworden“, stellt die Bevölkerungswissenschaftlerin María Zúñiga von der Uni Saragossa fest. Nach Angaben des staatlichen Statistikinstituts INE sank die Geburtenrate in Spanien im Jahr 2017 auf 1,31 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter – ein historischer Minusrekord.

Vor vier Jahrzehnten brachte jede Frau im Schnitt noch drei Kinder zur Welt. Im nun zu Ende gehenden Jahr wird eine Fortsetzung des Sinkfluges erwartet: Allein im ersten Halbjahr 2018 waren es schon wieder sechs Prozent weniger Geburten.

Spaniens Rate liegt deutlich unter dem EU-Schnitt, der sich bei 1,6 Kindern befindet. Wobei auch dies nicht gerade viel ist: Forscher gehen davon aus, dass in modernen Gesellschaften wenigstens 2,1 Kinder pro Frau geboren werden müssen, um ein gesundes Gleichgewicht zwischen junger und älterer Generation zu garantieren.

Doch nur wenige EU-Länder wie Frankreich (1,92) oder Schweden (1,85) nähern sich dieser Idealquote.

Kindergeld in Spanien? 24 Euro im Monat

Schlechte Aussichten, findet Ignacio García Juliá, der Präsident eines Zusammenschlusses spanischer Sozialverbände. „Spanien braucht einen großen Pakt für die Mutterschaft“, erklärt García Juliá und fordert die sozialistische Regierung auf, jungen Familien finanziell stärker unter die Arme zu greifen.

In der Tat können die Spanier von üppiger staatlicher Familienförderung nur träumen. Als monatliches Kindergeld gibt es maximal 24 Euro pro Kind. Auch sonst ist der Staat alles andere als großzügig: Frauen mit Beschäftigungsvertrag dürfen vier Monate bezahlten Mutterschaftsurlaub nehmen.

Ein Blick in die sozialen Netzwerke genügt, um einen Eindruck vom Frust junger Spanier zu bekommen. Auf Twitter schreibt einer, der beispielhaft für viele steht: „Ich bin 40, habe promoviert, bin aber inzwischen ohne Job, ohne Arbeitslosengeld und lebe von der Unterstützung meiner Eltern. Kinder? Ha, ha, ha.“