Berlin. Gibt es den Weihnachtsmann? Die nächste Kita- und Schüler-Generation ist längst desillusioniert. Aber das ist vielleicht ganz gut so.
An diesem Sonntag schreibe ich mit meinen zwei Kindern (vier und sieben Jahre) ihre Wunschzettel an den Weihnachtsmann. Wir sitzen an unserem Küchentisch und kritzeln auf zwei DIN-A4-Zetteln ein paar Spielzeugnamen, meine Tochter klebt mit Prittstift noch ein paar Sternchen auf den Rand und streut noch Glitzer darauf (sehr wichtig!). Mein Sohn fragt, ob er jetzt wieder spielen gehen darf, und offenbart damit das Offensichtliche: Die kleinen Biester, sie tun es für mich.
Sie wissen längst, dass da kein Weihnachtsmann ist, aber ihrer nostalgischen Mutter zuliebe machen sie das Spiel mit. Sie werden auch am Heiligabend mit mir eine Möhre für das Rentier, einen Keksteller und ein Glas Milch für den Weihnachtsmann vor die Tür stellen, ihre Socken aufhängen (wir sind da sehr französisch) und am ersten Weihnachtstag „Oh, der Weihnachtsmann war da“ rufen – tun, was immer es kostet, um an die erhofften Beyblades und Lego-Technic-Kästen unter dem Geschenkpapier zu kommen.
Mein Sohn lässt sich nur schwer täuschen
Ursula Lay, Landesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft in Bayern (KEG), sagt, dass Kinder bis zum neunten Lebensjahr an den Weihnachtsmann glauben. Mein Sohn ist zwei Jahre zu früh dran mit seinem Zynismus. Und schlimmer noch: Er versucht mir auf die Schliche zu kommen.
„Wo sind die Briefmarken?“, fragt er, als ich die Umschläge mit den Wunschzetteln darin in meine Handtasche verschwinden lasse. „Die Rentierpost holt sie bei mir im Büro ab“, antworte ich.
Mein Sohn blickt mich skeptisch an. „Außerdem“, füge ich hinzu „hat der Weihnachtsmann seit diesem Jahr E-Mail. Für Rückfragen.“
Mein Sohn verdreht die Augen. „Doch, doch“, sage ich, „schau nicht so. Der Weihnachtsmann rüstet technisch auch auf.“ Mein Sohn schüttelt den Kopf. „Vergiss es, Mama. Du bist der Weihnachtsmann.“
Selbst meine Vierjährige weiß es schon besser
So gehen unsere üblichen Gespräche zum Thema. Irgendwann zwischendurch wurde ich sogar drastisch. „Jedes Mal, wenn du sagst, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt, stirbt ein Rentier“, sagte ich meinem Sohn vor zwei Wochen auf dem Nachhauseweg. Mittlerweile sind wir bei 23 toten Paarhufern.
Und sogar meine Vierjährige nervt mich mit ihrem naseweisen Realismus. „Vergangenes Jahr war der Vater von Theo der Weihnachtsmann in der Kita. Und dieses Jahr ist es die Mama von Lena.“ Ich schaue sie entsetzt an. „Nein, das ist der Weihnachtsmann“, werfe ich zurück. Sie lächelt mich vielsagend an, sagt „Ach, Mama“ und entschwindet in ihr Zimmer.
24 schlaue Fakten rund um Weihnachten
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Vielleicht haben meine Kinder aber auch Recht
Und was soll ich sagen: Ich kämpfe gegen Windmühlen. Es ist zu spät, noch einzugreifen. Das Internet, die Schule, das Fernsehen haben alles vermasselt. Ich denke an mein siebenjähriges Ich zurück, das erst in der vierten Klasse der Grundschule entsetzt feststellte, dass da etwas faul ist.
Vielleicht, überlege ich dann aber auch, haben meine Kinder und ihre Freunde andererseits auch Recht. Am Ende des Tages ist der Weihnachtsmann im Ursprung nur eine Coca-Cola-Werbefigur und deren Trucks verteilen bis heute auf öffentlichen Plätzen Cola-Dosen, ohne dass irgendjemand groß danach gefragt hätte.
Vielleicht sollten wir Kindern authentischer gegenübertreten
Denke ich an meine Kindheit zurück, so hat der Weihnachtsmann wirklich nichts Besonderes geleistet. Er hat mich vor allem gelehrt, dass am Ende jeder Magie eine Enttäuschung, eine Enttarnung wartet. Da ist es doch vielleicht realistischer, Kindern authentisch gegenüberzutreten, ihnen von der Geburt Jesu zu erzählen (wir sind Katholiken) oder einfach, dass Weihnachten das Fest der Familie und Barmherzigkeit ist.
Also, mach’s gut, alter weißer Mann mit dem roten Mantel. Und streng genommen: Danke für gar nichts. PS: Die Idee mit den Rentieren war aber ganz süß.