Berlin. Bedürftige gehören in vielen Städten zum Alltag, doch sie lösen oft auch Verunsicherung aus. Wir geben Tipps zum Umgang mit Bettlern.

Ein junger Mann sitzt mit einem Pappschild neben einem Geschäft in der Innenstadt, darauf steht: „Ich habe Hunger“. Passanten gehen an ihm vorbei, die meisten beachten ihn gar nicht. Bettler gehören zum Bild der Großstädte dazu – doch ihre Anwesenheit löst in vielen Menschen Unsicherheit, Unbehagen oder sogar Ablehnung aus.

Wie will man umgehen mit bettelnden Menschen? Ist es okay, sie zu ignorieren, soll man ihnen Geld oder nicht besser Sachspenden geben? Die Caritas hat dazu einen Leitfaden herausgegeben. Außerdem hat die „WAZ“ mit Marianne Jürgens, Sprecherin der Caritas in Köln, nach Tipps gefragt – wir geben sie weiter:

Sollte man Bettlern Geld geben?

„Jeder soll für sich selbst entscheiden, was er leisten möchte. Aber wir als Caritas sagen: ‚Warum nicht?‘“, sagt Jürgens, „Den meisten tut eine Spende nicht weh.“ Und das, was obdachlose Menschen brauchen, ist Geld: „Sie bekommen oft keine Sozialleistung, weil sie keine Papiere haben. Sie besitzen daher auch keine Wohnung oder einen Job. Sie befinden sich in einem Teufelskreis“, so Jürgens.

Wie viel Geld sollte man spenden?

Da gibt es keine allgemeine Richtlinie. Jeder soll für sich selbst entscheiden, wie viel er geben kann oder möchte. Die Caritas gibt zu bedenken, dass Bettler aber auf fremde Hilfe angewiesen sind: „Ich darf mich daher fragen, ob ich nicht großherziger sein könnte, in Anbetracht all dessen, wofür ich selbst sinnhafter- wie sinnloserweise Geld ausgebe. Bei einem bettelnden Menschen könnte ich in Menschlichkeit und Solidarität investieren. Keine schlechten Wertanlagen“, heißt es von der Caritas.

Wie verhindere ich, dass das gespendete Geld für Alkohol und Drogen ausgegeben wird?

„Dass man keine Sucht unterstützen will, ist natürlich legitim“, sagt Jürgens. Allerdings gehöre es zur Realität, dass Menschen auf der Straße oft Suchtprobleme haben. Daher rät die Caritas, das Geld als Geschenk zu sehen: „Ich habe dann keinen Anspruch darauf, dass derjenige mit dem Geld tut, was ich möchte. Wofür er das Geld dann ausgibt, sollte man ihm überlassen“, sagt die Caritas-Sprecherin.

Zudem solle man beachten, dass sich abhängige Menschen auf der Straße in einer Notsituation befinden. So könne ein kalter Entzug auf der Straße auch tödlich sein. „Abhängige brauchen Alkohol, um zu überleben, auch wenn sich das paradox anhört“, sagt Jürgens. Die Caritas rät denjenigen, die immer noch Bedenken hätten, Geld an soziale Einrichtungen oder Vereine für Wohnungslose zu spenden. Auch diese seien häufig auf Spenden angewiesen.

Sind auch Sachspenden eine Alternative?

Alternativ zu Geld kann man Bettlern auch ein belegtes Brötchen oder einen Kaffee geben, sagt die Caritas. Doch vorher sollte man den hilfsbedürftigen Menschen fragen, was er braucht, und es ihm erst dann kaufen.

Das könne etwas zu essen oder auch ein Gebrauchsgegenstand wie ein Rasierer sein: „Man sollte aber nicht ungefragt ein Brötchen geben und dann enttäuscht sein, wenn derjenige sich nicht darüber freut. Denn es ist vielleicht schon das fünfte Brötchen, das er an dem Tag geschenkt bekommt“, so Jürgens.

Zudem kann eine ungebetene Sachspende auch als Bevormundung verstanden werden. Aber nicht nur mit Spenden, auch in einem veränderten Umgang mit Bettlern ließe sich Positives bewirken: „Es hilft schon, dem Gegenüber freundlich zuzunicken oder ihm einen schönen Tag zu wünschen. Ihm so das Gefühl zu geben, dass sie Menschen und ein Teil unserer Gesellschaft sind. Wir können die Augen nicht davor verschließen, sie gehören mit dazu“, sagt Jürgens.

Warum sind wenige Leute bereit, zu spenden?

Die Caritas glaubt, dass es zum einen große Ängste bei den Passanten selbst auslöst, bettelnde Menschen auf der Straße zu sehen. So würde man in dieser Situation mit der Realität konfrontiert, dass jeder durch unglückliche Umstände so ein Schicksal erleiden könnte. Daher würden viele stattdessen lieber wegschauen und die Realität verdrängen.

Zum anderen sei da auch die Unsicherheit, wie man mit Bettlern generell umgehen sollte: „Es gibt ja auch Leute auf der Straße, die aggressiv und unberechenbar sind oder direkt lospoltern und man sich da fragt ‚Hab ich vielleicht so jemanden vor mir?‘“ Daher rät Jürgens, die Lage erst zu beobachten, dann lasse sich die Situation meistens gut einschätzen.

Wie sollte man mit aufdringlichen Bettlern umgehen?

Wer sich von bettelnden Menschen belästigt fühlt, sollte sich bewusst abgrenzen und das dem Gegenüber auch durch ein ‚Nein‘ deutlich machen: „Aggressives Betteln ist ein Straftatbestand, das ist Nötigung. Das muss man nicht hinnehmen“, so Jürgens. Man solle dann das Umfeld auf die Situation aufmerksam machen oder auch die Polizei rufen.

• Dieser Artikel ist zuerst auf WAZ.de erschienen