Bern . Ein Schweizer Bauer kämpft mit einer Volksabstimmung dafür, dass Rinder ihr Gehörn behalten dürfen. Der Politik missfällt der Vorstoß.

Kühe, die vor einer Bergkulisse auf saftig grünen Almwiesen grasen, sind in der Schweiz eine Art Kulturgut. Die ganze Wirklichkeit bilden sie nicht ab. Auch wenn 80 Prozent der 1,5 Millionen Kühe in der Eidgenossenschaft mindestens rund 40 Tage im Jahr auf die Weide dürfen – die meiste Zeit verbringen sie in Ställen.

Damit sie sich dort auf beengtem Raum nicht gegenseitig verletzen, werden sie enthornt – mit einem heißen Stab brennt der Tierarzt den betäubten Kälbern das Horn weg.

Bauer kämpft seit Jahren gegen die Enthornung der Tiere

Für den Schweizer Bauern Armin Capaul ist dieser Vorgang eine „Verstümmelung“. Mit den Hörnern verlören die Tiere auch ihre Würde. „Wer bin ich, dass ich mir das Recht nehme, meine Kühe zu beklauen?“, fragt der Mann, der mit seinem Rauschebart und seiner Strickmütze so aussieht, als hätte ihn die Tourismusbehörde als ­Heidis Alm-Öhi engagiert.

Armin Capaul ist Gründer der Kuh
Armin Capaul ist Gründer der Kuh © REUTERS | REUTERS / DENIS BALIBOUSE

Seit Jahren kämpft der 67-Jährige gegen die Enthornung – mit 100.000 Unterschiften ist es ihm nun gelungen, eine Volksabstimmung zu erzwingen. Ein Verbot hält er für noch nicht realistisch. Aber: Am Sonntag entscheiden die Schweizer, ob Bauern, die ihren Kühen und Ziegen die Hörner lassen, Subventionen erhalten.

„Ich will Kühen und Geißen eine Stimme geben“, sagt er. Denn er ist sicher: Die Tiere würden ein Leben mit Hörnern wählen. Capaul prangert vor allem die Schmerzen an, die die Enthornung für das Tier bedeute würde. „Ich habe schon manches Kalb gehört, dass vor Schmerzen geschrien hat.“ Auch dauere es Monate, bis die Wunde verheilt sei.

Wirtschaftsminister bezweifelt, dass Tiere leiden

Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann widerspricht Capauls Erfahrungen. „Ich habe Enthornungen mit eigenen Augen gesehen und nie den Eindruck gehabt, dass sie leiden.“ Überhaupt: Die Regierung ist nicht begeistert von der Abstimmung, fürchtet explodierende Kosten, wenn sie Bauern belohnen muss, die die Hörner ihrer Kühe sprießen lassen.

Das Problem bei den Operationen: Zwar besteht das Horn wie Fingernägel aus abgestorbenen Zellen. Jedoch sei die Hornhülle verwachsen mit einem vitalen Gewebezapfen, der ebenfalls entfernt werden müsse, erklärt Siegfried Moder, Präsident des Bundesverbands der Tierärzte in Frankfurt/Main.

Wunsch, dass Kühe Hörner behalten, sei eher romantischer Natur

Er verstehe, dass viele Menschen sich wünschten, die Kühe könnten ihre Hörner behalten. Dieser Wunsch sei wohl eher romantischer Natur. „Eine Kuh mit kräftigen Hörnern auf einer grünen Wiese sieht einfach schön aus.“ Doch Kühe seien keine Kuscheltiere, sondern kräftige Nutztiere. „Das Horn dient der Verteidigung und Rangordnung“, so Moder weiter.

„Deswegen ist bei Stallhaltung die Verletzungsgefahr groß.“ Gerade erst habe er von dem Fall einer Kuh gehört, die von einer Artgenossin aufgeschlitzt wurde. „So etwas kann ja nicht im Sinne der Tierschützer sein.“

Auch können die spitzen Hörner eine tödliche Gefahr sein für die Bauern, die mit den Tieren arbeiten. Moder weiß von jährlich rund 2800 Fällen in Deutschland, in denen Bauern verletzt werden. Als Lösung sieht er die zunehmende Züchtung bereits hornloser Kühe.

Hörner haben für Kühe eine soziale Funktion

Für die Bio-Molkerei Demeter ist das keine Alternative. Sie ist laut Eigenaussage der einzige Verband in Deutschland, der sowohl Hornloszucht als auch Enthornung konsequent ausschließt – während 90 Prozent der Kühe in Deutschland „oben ohne“ trügen.

„Hörner haben eine wichtige soziale und kommunikative Funktion und geben innere Ruhe“, so eine Sprecherin. Die Hörner spielten auch bei der Fellpflege eine Rolle. Bestünde mehr Platz für die Kühe und mehr Aufmerksamkeit vonseiten der Bauern, sei die Haltung „mit“ auch in Laufställen möglich.

Bauer Capaul watscht Gegner auf seine eigene Art ab: „Was da losgelassen wird, um die Leute zu verunsichern, schleckt keine Ziege weg.“ Trotzdem: Der Hornkuh-Rebell ist sich sicher, dass seine Initiative am Sonntag ein Erfolg wird.