Berlin. Michelle Obama spricht offen über Fehlgeburt und künstliche Befruchtung. Und tut damit Frauen einen Gefallen, findet Caroline Rosales.

Michelle Obama schuldet uns nach ihren acht Jahren als First Lady an der Seite ihres Mannes im Weißen Haus so ungefähr gar nichts. Sie hat alle öffentlichen Ämter niedergelegt. Sie ist eine Privatperson. Und sie hat ihre Kandidatur für die Demokraten im Jahr 2020 bei den nächsten US-Präsidentschaftswahlen mehrfach dementiert.

Dass sie nun für ihre Biografie „Becoming Michelle: Meine Geschichte“ einen zweistelligen Millionenbetrag kassiert haben soll, verpflichtet sie auch nicht dazu, über sehr private Themen zu sprechen. Trotzdem hat sie hat es getan.

Michelle Obama spricht offen über künstliche Befruchtung

Michelle Obama beschreibt in ihrem Buch, das am Dienstag in den USA erscheint, ihr Leben vor dem Einzug ins Weiße Haus, ihre Beziehung mit Barack Obama und wie es war, die erste schwarze First Lady Amerikas zu sein. Außerdem spricht sie über ihre bisher öffentlich nicht bekannte Fehlgeburt und In-vitro-Behandlungen. Das heißt, dass sie ihre Töchter Sasha und Malia Obama durch künstliche Befruchtung bekommen hat.

In der Talkshow „Good Morning America“ sagte sie vergangene Woche: „Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben, weil ich nicht wusste, wie häufig Fehlgeburten waren, weil wir nicht über sie gesprochen haben.“ Das sei einer der Gründe, warum sie es für wichtig halte, mit jungen Müttern über den Fakt zu sprechen, dass Fehlgeburten passieren und dass es die biologische Uhr gibt. „Die Produktion der Eier ist limitiert“, sagt sie, „ich habe das erkannt, als ich 34 und 35 war und wir uns künstlich befruchten lassen mussten.“

Sie glaube, dass es das Schlimmste sei, was wir als Frauen einander antun: „nicht die Wahrheit über unsere Körper zu teilen und wie sie funktionieren – und wie sie es eben nicht tun“.

Das Thema Fehlgeburt sollte kein Tabu sein

Dem gibt es wenig hinzuzufügen. Eigentlich gar nichts. Vielleicht nur die Tatsache, dass es stimmt. Noch immer fühlen sich Frauen weltweit mit dem Erlebnis einer Fehlgeburt meist sehr unglücklich und elend.

Das wird sich nie ändern, aber es könnte besser werden, wenn das Thema nicht auch noch ein Tabu wäre. Wenn Frauen wenigstens sagen könnten, es ist sehr schlimm, aber es passiert vielen. Weil ALLE über das Thema sprechen. Jede 10. Schwangerschaft endet in den ersten Tagen oder Wochen, doch hören Frauen nur davon, wenn es im engsten Freundeskreis passiert.

Warum sprechen Frauen nicht miteinander über diese Themen?

Es ist weniger tragisch, aber genauso häufig wird um das Thema In-vitro-Fertilisation herumgeredet. Jeder (zweite) Mensch auf der Welt weiß, dass durch In-vitro-Behandlung die Häufigkeit von Zwillingsgeburten steigt. Verglichen mit 1977 wurden in Deutschland doppelt so viele Zwilling geboren. Überall auf den Spielplätzen, in Parks, in Spiel-Cafés sah ich damals in meiner Zeit als Baby-Mutter Zwillinge. Auch heute gibt es in meinem Bekanntenkreis etwa zehn Zwillingspaare. Und tatsächlich hat mir in all den Jahren nicht einmal eine Freundin erzählt, dass ihre Kinder künstlich gezeugt wurden.

Warum ist das so? Vielleicht aus falscher Rücksicht auf die Kinder, aus Angst, das vermeintlich biologische Versagen als Frau zu betonen? Vielleicht, weil die Behandlung Stress und Depressionen verursachen kann, eine ungeheure Belastung für den weiblichen Körper ist und danach von der Frau vergessen werden möchte? Das verstehe ich, aber andererseits: In was für einer gruseligen mittelalterlichen Gesellschaft leben wir noch, dass Schwangerwerden auf nicht natürlichem Weg und Fehlgeburten öffentlich als unsagbare Dinge gelten?

Dass es nicht so bleiben muss, zeigt Michelle Obama. Sie macht einen ersten Schritt, aus einer Position der Stärke heraus, als Mitglied der Reichen und Schönen. Sie spricht es einfach aus und sagt damit: Wenn ich das kann, vor einer weltweiten Zuhörerschaft mein Intimleben auszupacken, dann kannst du es auch – wenigstens im kleinen Kreis. Deine Freundinnen und Bekannten werden es dir danken.