Berlin. Kaum einer kann Melancholie so interpretieren wie der Liedermacher Klaus Hoffmann. Ein Gespräch über das Alter und die Sehnsucht.

Seit 50 Jahren singt er Lieder über die Liebe – dabei wollte Klaus Hoffmann (67) eigentlich gar nicht Sänger werden. Der gebürtige Berliner machte nach der Realschule eine Ausbildung zum Kaufmann für Stahl und Eisen und entschied sich dann erst einmal für den Schauspielerberuf.

Er spielte im Theater, im Film – und nebenbei tingelte er mit seinen Liedern durch die Szenekneipen. Jetzt ist der Mann der leisen Töne wieder auf Deutschland-Tour (14. November/Kölner Philharmonie). Ein Gespräch über Ankommen und Loslassen.

Es heißt, mit Ihrem Album „Aquamarin“ seien Sie bei sich selbst angekommen?

Klaus Hoffmann: Niemals und never, die Reise geht weiter – es ist einfach Quatsch. Ich hätte das Album auch „Amarcord“ betiteln können. Das heißt im Italienischen „Ich erinnere mich“. Und mit ebendiesem Gedanken beschäftige ich mich schon die letzten drei Alben – so gesehen ist da jetzt etwas angekommen. Aber ich gehe natürlich hoffentlich weiter.

Sie können sich auf der Bühne verlieren, haben Sie einmal gesagt. Was heißt das?

Hoffmann: Ja, ein Stück weit ist die Bühne für mich bis heute ein unheimlicher Ort, mich auch lustvoll zu verlieren. Und ein geschützter Ort: Ich gehe da raus, die Texte stehen mehr oder weniger fest, und wenn ich mich daran halte, macht der Schauspieler Hoffmann schon eine Menge guter Sachen.

Der Regisseur Tom Toelle hat immer zu mir gesagt: Du singst im Grunde, um deine Ängste auch zu bewältigen, du willst dich verlieren im Schutz dieses Auditoriums. In der Tat ist es ein fortwährender Prozess des Weggehens und Wiederankommens. Natürlich könnte ich stattdessen auch eine Religion anstreben. Haben Sie etwas im Angebot?

Die fernöstlichen Weisheiten sind derzeit ja wieder sehr gefragt.

Hoffmann: Das habe ich auch schon alles erlesen, damals in den 70er-Jahren. Letztlich ist es immer die Suche nach einem, der die Sinnsuche für dich klärt und sagt: Ich nehme dich jetzt an die Hand – und so gehst du durchs Leben.

Sie haben mehr als 600 Lieder geschrieben. Gab es da nie die Angst, sich zu wiederholen?

Hoffmann: Absolut, das macht man ja auch. Aber es ist doch völlig unwichtig – entscheidend ist, dass du es machst. Ich hoffe doch auch, dass ein Bob Dylan sich wiederholt, und kaufe mir sein neues Album, um ebendas zu hören. Säße er hier, würde er sagen: Das geht mir doch völlig am Arsch vorbei.

Braucht es Sehnsüchte, um kreativ zu sein?

Hoffmann: Ja – und bei mir gibt es davon noch eine Menge. Das sind auch verkleisterte Kinderwünsche – wie der nach Frieden. Wenn ich es lächerlich machte, würde ich sagen: Ich wollte immer eine unbewohnte Insel mit einem heftigen Nachtleben.

Wird man über solche Sehnsüchte nicht irgendwann unglücklich?

Hoffmann: Sie meinen, weil sie sich erfüllen sollten? Meine Sehnsucht nach einem Vater, den ich zu wenig hatte, wird sich nicht mehr erfüllen – aber darüber werde ich nicht unglücklich. Denn diese Lücke ist auch ein Teil meiner Kreativität.

Ihr Publikum ist mit Ihnen älter geworden. Haben Sie Ambitionen, mehr jüngere Menschen in Ihre Konzerte zu locken?

Hoffmann: Soll ich mich wie einige Kollegen hinstellen und sprachlich auf die Kacke hauen, um einen Jugend-slang vorzugeben? Das würde ich nie machen. Aber deshalb bin ich trotzdem noch nicht im Altenheim unterwegs.

Der Vorteil des Alters sei, so haben Sie einmal gesagt, dass man schon eine Menge erlebt habe. Aber werden die Zukunftsängste größer?

Hoffmann: Bestimmt – doch Ängste begleiten uns ohnehin ein Leben lang. Ich finde es etwa einfach immer wieder unglaublich, dass wir uns hier irgendwann verabschieden müssen. Woody Allen hat das mal sehr schön auf den Punkt gebracht, als er die Frage gestellt bekam, wie er zum Tod stünde – und er geantwortet hat: Ich bin dagegen.

Und wie sieht es mit Ihrem politischen Aufbegehren aus? Könnten Sie sich vorstellen, wieder politischer in Ihren Liedern zu werden?

Hoffmann: Mal sehen – ich habe jetzt wieder ein altes Lied herausgekramt: „Stein auf Stein“ von 1991. „Ich geh auf den vereinten Straßen, es riecht nach Dummheit und Gefahr …“ Aber da muss ich noch mutiger werden, um zu sehen, was ich sagen will. Denn ich erzähle doch jetzt nicht einfach bloß etwas zu Chemnitz: Da ist doch sowieso klar, dass wir die Guten sind.