Berlin. Viele Mensen kämpfen um ihre Qualität und ihr Überleben. Doch die Frage ist: Ergeben Neuerungen wie komplett vegane Kantinen Sinn?

In der Mensa der Freien Universität Berlin im Stadtteil Dahlem können Studierende zwischen „Frankfurter Linseneintopf mit Wurzelgemüse“ und „Sojastreifen und Gemüse nach asiatischer Art mit Chinanudeln“ wählen. Wer Lust auf Fleisch hat, kann sich den Weg sparen. „Veggie No.1 – die grüne Mensa“ ist die erste komplett vegetarisch-vegane Mensa Deutschlands. So fortschrittlich wie hier ist die Mehrheit der Mensen in Deutschland noch nicht.

Vielerorts haben es Studenten auch im neuen Wintersemester mit labbrigen Würstchen und Krankenhaus-Schick zu tun. Es wird gekocht wie vor Jahrzehnten. „Leider hinken die meisten Mensen sehr hinterher“, sagt die Ernährungs­beraterin Anna Goldberg, die an der FU das Seminar „Die Mensa der Zukunft“ anbietet.

Die rund 700 Hochschulmensen in Deutschland werden von 58 selbstständigen Studentenwerken betrieben und zählen mit bis zu 12.000 ausgegebenen Essen am Tag neben Firmenkantinen zu den größten Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung.

Am Preis kann es in der Mensa nicht liegen

Dass sich vielerorts etwas ändern muss, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Dem Portal Statista zufolge gehen 41 Prozent der Befragten nie in eine Kantine, Mensa oder Cafeteria. 20 Prozent gehen selten hin, lediglich 16 Prozent der Befragten steuerten die Großküchen mehrmals in der Woche an. Am Preis kann es kaum liegen, jedenfalls was die Mensa angeht.

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Nach einer Erhebung des Vergleichsportals Netzsieger war die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die teuerste Hochschulmensa mit einem Durchschnittspreis von 3,20 Euro pro Gericht. Auf Platz zwei lag die Universität Stuttgart mit einem Durchschnittspreis von 3,10 Euro. Aber im Vergleich zu vielen Restaurants ist selbst das noch günstig. Die Studentenwerke beobachten hingegen, dass Zeitnot der Studenten eine Rolle spielt.

10.000 Speisen innerhalb von zwei Stunden

Mit den Bachelor- und Masterstudiengängen sind die Pausen zwischen den Seminaren fokussierter geworden – es gibt zu bestimmten Stoßzeiten einen großen Ansturm und damit lange Wartezeiten. Manch ein Studentenwerk hat dafür eine kreative Lösung gefunden. In Bochum können Studenten ihr Essen mitnehmen. In Freiburg und Gießen setzt man auf Lunchbags und Foodtrucks.

Im Universitätsklinikum Greifswald bringen gar 32 vollautomatische Transportwagen die Speisen auf die Stationen. Die über Transponder gesteuerten Container fahren sogar alleine mit dem Aufzug. In der Bielefelder Mensa, die zu den modernsten Mensen Deutschlands zählt, werden Zukunftstrends ebenfalls ausprobiert. Studierende können sich ihr Menü frei zusammenstellen. Das bedeutet im Regelfall aber auch längeres Warten: Wo ausgewählt wird, dauert es eben meist länger.

Rein vegetarische Mensen ergeben aus Forschersicht keinen Sinn

Wie die Mensa künftig aussehen soll, erforscht die Universität Bayreuth. Auf dem neuen Campus-Gelände am Standort Kulmbach ist eine neue Mensa geplant, in der Zukunftstrends ausprobiert werden. „Wir wünschen uns eine Mensa, die experimentierfreudig ist und Wissen über Nahrungsmittel und Ernährung lebensnah vermitteln kann“, sagt Professor Stephan Clemens von der Fakultät für Lebenswissenschaften an der Universität Bayreuth.

Rein vegetarische Mensen ergeben aus Clemens’ Sicht wenig Sinn. „Wichtig ist ein attraktives vegetarisches Angebot, doch Wahlfreiheit sollte erhalten bleiben.“ Man wolle nicht die Einschränkungen früherer Zeiten durch neue Einschränkungen ersetzen, sondern durch vielfältigeres Angebot.

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    „Kreativ sind unsere Mensaköchinnen und -köche bereits heute, aber die Großküchenbedingungen setzen der Kreativität auch Grenzen“, sagt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW). Gehobene Küche sei nicht zu schaffen, schließlich müssen üblicherweise 10.000 Speisen innerhalb von zwei Stunden zubereitet werden.

    Großküchen können nur schwer große Mengen Bio-Lebensmittel einkaufen

    „Wir müssen aber auch feststellen, dass viele Mensen an ihrer Kapazitätsgrenze arbeiten – oder drüber“, sagt Meyer auf der Heyde. Die Infrastruktur sei mit den steigenden Studentenzahlen nicht gewachsen. Das DSW fordere seit Langem einen Bund-Länder-Hochschulsozialpakt im Umfang von einer Milliarde Euro, um die Mensakapazitäten zu sanieren und auszubauen.

    An ihre Grenzen kommen die Mensen auch beim Thema biologische Lebensmittel. Viele Studentenwerke kämen auf einen Bio-Anteil zwischen 15 und 20 Prozent, sagt Meyer auf der Heyde. Einer Befragung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge boten 15 Prozent der Mensen in Großstädten immer mindestens ein Bio-Gericht an. Im ländlichen Raum war dieser Wert mit vier Prozent viel niedriger. Also gerade da, wo eine Versorgung mit gesundem Essen aus der Region am ehesten möglich wäre.

    Allerdings sind die Kapazitäten limitiert: „Großküchen wie Mensen können oft gar nicht die Mengen Biolebensmittel einkaufen, die sie benötigten“, sagt der Generalsekretär des DSW. Dabei ist dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zufolge die Mehrzahl der Studenten bereit, für Bio-Lebensmittel einen Aufpreis zu bezahlen. Lediglich drei Prozent der Befragten würden einen Aufpreis für ein Biogericht verweigern. 52 Prozent würden ein bis zwei Euro mehr berappen, 14 Prozent sogar mehr als zwei Euro draufzahlen. „Die Studierenden wollen wissen, woher ihr Essen kommt und was es Gutes für sie tut“, sagt Meyer auf der Heyde. Aber es gilt nach wie vor der Anspruch, zu einem günstigen Preis satt zu werden.