Pittsburgh/Berlin. Ein 76-Jähriger berichtet, wie er sich vor dem Attentäter von Pittsburgh versteckte. Der Todesschütze hatte ihn schlicht übersehen.

Als die Schüsse fielen, versteckte sich Barry Werber in einem Abstellraum. Ein anderes Mitglied der Gemeinde lag auf dem Boden. Es war getroffen worden. Werber, 76 Jahre alt, nicht.

Auch nicht, als der Mann, der für die dramatischen Szenen in der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh verantwortlich war, noch einmal den Raum betrat. Sich umsah. Und wieder ging.

Werber überlebt – weil der Attentäter ihn im Dunkeln übersehen hatte. Ein besonderer Glücksfall an einem schwarzen Tag für die Vereinigten Staaten, über den die „New York Times“ online berichtet.

„Ich weiß nicht, warum der Mann denkt, dass die Juden verantwortlich sind für alles Schlechte auf der Welt, aber er ist nicht der erste, der das denkt, und er wird nicht der letzte sein“, sagte Werber der „Associated Press“ in einem Interview, aus dem „The State“ zitiert. „Das ist leider die Last, die wir tragen müssen. Es bricht mir das Herz.“

„Hassverbrechen“: Anklage in 29 Punkten

27.10.2018, USA, Pittsburgh: Die Polizei steht vor der Tree of Life Synagoge. Ein 46 Jahre alter Mann hat am Samstag bei einem antisemitisch motivierten Attentat auf die Synagoge elf Menschen getötet. Sechs weitere wurden verletzt Foto: Matt Rourke/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
27.10.2018, USA, Pittsburgh: Die Polizei steht vor der Tree of Life Synagoge. Ein 46 Jahre alter Mann hat am Samstag bei einem antisemitisch motivierten Attentat auf die Synagoge elf Menschen getötet. Sechs weitere wurden verletzt Foto: Matt Rourke/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © dpa | Matt Rourke

Der Mann, von dem Werber spricht, ist der Todesschütze, der am Samstag in der Synagoge elf Juden regelrecht hinrichtete – vermutlich aus Hass gegen die Religion. Verdächtigt wird Robert Bowers., 46 Jahre alt. Im Internet hatte er zuvor judenfeindliche Parolen veröffentlicht. An diesem Montag sollte er zum ersten Mal vor Gericht erscheinen. Staatsanwalt Scott Brady nannte die Tat ein „Hassverbrechen“, es gebe 29 Anklagepunkte gegen Bowers.

Nach Medienberichten soll der 46-Jährige einem Sicherheitsbeamten gesagt haben, alle Juden sollten sterben, denn sie begingen Völkermord gegen seine Leute.

Internationales Auschwitz Komitee ruft zur Solidarität auf

Das Internationale Auschwitz Komitee rief nach dem Synagogen-Anschlag von Pittsburgh zur Solidarität mit Juden auf. „Weil sich die Hass-Strategen des Antisemitismus über Kontinente hinweg gegenseitig anstacheln, rufen Auschwitz-Überlebende dazu auf, über Kontinente hinweg zusammenzustehen“, erklärte der Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, am Montag bei einem Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers in Polen.

Die Footballmannschaft Pittsburgh Steelers legte vor ihrem Sonntagsspiel gegen Cleveland eine Schweigeminute im Stadion ein. Steelers-Präsident Art Rooney erklärte, man müsse sich gegen Antisemitismus und Hassverbrechen wehren.

Bei einer Crowd-Sourcing-Kampagne spendeten beinahe 9000 Menschen binnen eines Tages eine halbe Million US-Dollar für die Angehörigen der Opfer und für Reparaturarbeiten an der Synagoge.

Trump beschuldigt abermals die Medien

US-Präsident Donald Trump sieht die Schuld – wie bereits bei den Briefbombenangriffen vor wenigen Tagen – auch bei den Medien. Sie würden zur Verbreitung des Hasses in der Gesellschaft beitragen. „Es gibt große Wut in unserem Land, die teilweise verursacht ist durch fehlerhafte und sogar betrügerische Berichterstattung der Medien“, schrieb Trump am Montag bei Twitter.

Am Dienstag möchte er mit seiner Frau Melania nach Pittsburgh reisen. Eine Gruppe jüdischer Geistlicher hatte allerdings in einem offenen Brief Trump mitgeteilt, er sei in Pittsburgh nicht willkommen solange er nicht vollends den weißen Nationalismus verurteile.

„Die Fake-News-Medien, die wahren Feinde des Volkes, müssen aufhören mit offener und offensichtlicher Feindseligkeit und richtig und fair berichten“, so Trump. Dies würde viel dabei helfen, etwas gegen Wut und Gewalttätigkeit zu tun und für Zusammenhalt und Frieden zu sorgen, schrieb Trump. „Fake News müssen ein Ende haben!“ (ses/dpa/epd)