Berlin. Eltern denken, sie müssten lustige Ausflüge mit ihren Kindern machen. Das funktioniert manchmal. Ganz manchmal.

Diese Woche war es unvermeidbar. Das Packen, das Wegfahren. Ich hatte einen Termin in Hamburg, die Plattform Xing wollte meine Meinung als „Single Mom“ haben und so sollte ich für die Aufzeichnung nach Hamburg fahren. Die Kinder – auch unvermeidlich – mussten mit, weil Herbstferien sind und ich nicht Kim Kardashian bin und eine Weekend-Nanny habe.

Die Grundüberlegung war dennoch natürlich: Wie bekomme ich das ganze Ballett stressfrei über die Bühne? Am selben Tag, dem Freitag, hin und zurück, klang in meinem Kopf nach solidem Selbstmord, also rief ich meine Schwester an, um zu fragen, ob wir uns für eine Nacht bei ihr einquartieren dürfen.

„Logisch, klar“, sagte sie und dachte in der Sekunde wohl das, was alle Schwestern so denken, wenn die andere Schwester droht, anzurücken. Sie überlegt natürlich, wo sie ihren neuen Cashmere-Pullover oder La-Prairie-Concealer hinpacken kann, so dass er nicht aus Versehen in meiner Reisetasche landet – es wäre ja schließlich nicht das erste Mal.

Und dann war der Tag gekommen, an dem ich bereits während der Zugfahrt beschloss, dass solche Familientrips generell nicht mehr machbar sind. Meine Kinder lärmen durch den Gang des ICEs, der Flummi meines Sohnes trifft eine alte Dame am Hinterkopf, die Pokémon-Karten des Sohnes fliegen nicht einmal, sondern 36 Mal während der Fahrt runter.

Die Tochter heult, die Mama liegt unterm Tisch

Die Tochter heult, die Mama liegt unter dem Tisch, entschuldigt sich bei Fahrgästen, dass sie ihnen auf dem Boden kriechend jetzt mal kurz zwischen die Beine greifen muss, weil da Pikachu liegt.

Neben uns – als hätte der Teufel persönlich sie bestellt – sitzt die sechsköpfige Waldorffamilie mit den tausend Apfelschnitzenboxen, lächelt uns an. Die Kinder der „Waldis“ malen mit Buntstiften Mandalas aus. Mandalas – das machte mich in diesem Moment richtig, richtig fertig.

Und was soll ich sagen: Bei meiner Schwester ging das Lärmen weiter, nachts war kurz Ruhe, abgesehen davon, dass ich hundert Male getreten wurde auf der großen Familienluftmatratze (laut Bedinungsanleitung für sechs Personen geeignet), dann ging es mit den Cousins auf große Entdeckungsfahrt mit Bobbycars um sieben Uhr morgens durch die Wohnung.

Selbstmitleid macht keinen Spaß

Dass meine Nerven und mein Körper wund vom Erklären, Ermahnen und Drei-Taschen-Tragen war, interessierte natürlich wieder niemanden. Selbstmitleid macht keinen Spaß, wenn keiner zuhört. Das ist die eine Wahrheit. Die andere ist, dass wenn Eltern denken, dass gerade alles schiefläuft und es das aller, allerletzte Mal war, die Kinder plötzlich wieder zu kleinen Engeln mutieren. Als würde sie die Gefahr spüren, dass Mama jetzt wirklich, wirklich über Konsequenzen und Totalverweigerung nachdenkt. So eine, die mit der Neuanschaffung von Pokémon-Karten zu tun haben könnte.

So klappte es bei der Aufzeichnung im Xing-Studio dann wieder verdächtig gut. Brave Kids, die Fernsehmikros ausprobieren durften und nebenan während der Aufzeichnung malten. „So hübsch siehst du aus“, sagte meine Tochter, als die Maskenbildnerin mich abpuderte. Sehr verdächtig. So nett die Beiden, dass die liebe Mutter auf der Zugfahrt zurück, verführt war zu denken: Das war doch alles dann doch ganz okay.

Dass ich die falschen Schuhe anhatte (hohe Absätze) und meine Tochter nur eine Strumpfhose dabeihatte (Planungsfehler) – geschenkt! „Schön, dass ihr da wart“, schreibt meine Schwester einen Tag später. Und ich schreibe ihr in Gedanken zurück. „Es war sehr schön und ich habe dein Duschgel, deine Haarkur, deinen Ladyshaver benutzt. Und bitte, bitte such nicht dein Dr.-Haruschka-Gesichtpeeling. Du wirst es nicht finden.“