Berlin. Linda Perry ist eine der erfolgreichsten Musikproduzentinnen der Welt. Dem Feminismus steht die US-Amerikanerin kritisch gegenüber.

Als Sängerin der 4 Non Blondes lieferte sie mit „What’s Up“ 1993 den Hit einer Generation. Doch bald schon entschied sich Linda Perry, das Rampenlicht anderen zu überlassen und lieber die Strippen im Hintergrund zu ziehen. Als Produzentin und Song-Schreiberin von Pink, Britney Spears, Christina Aguilera, Gwen Stefani oder James Blunt wurde sie eine der mächtigsten Frauen im Musikbusiness. Trotz ihrer unterschiedlichen Schützlinge – die 53-Jährige verfolgt einen roten Faden.

Ihre Songs handeln von Partys, guten Zeiten, aber vor allem immer von der Stärke des Einzelnen, sich auch an schlechten Tagen wertvoll zu fühlen. Jetzt lieferte Perry den Soundtrack für die lang erwartete Netflix-Bestsellerverfilmung „Dumplin“. Dienstag stellte sie den Song „Girl in the Movies“ mit Country-Legende Dolly Parton in L. A. vor. Ein Telefongespräch über Hit-Produktionen und das von Perry nicht so gern gehörte Wort Feminismus.

Linda Perry, i ch erreiche Sie heute Morgen in Ihrem Studio in Los Angeles. Was tun Sie gerade?

Linda Perry: Nun, ich sitze im Büro meines Labels und produziere junge Talente. Gerade habe ich eine Rapperin namens Angel Haze unter Vertrag genommen.

Wir werden Sie also zukünftig als Chefin eines großen Musik-Labels sehen?

Perry: Ja und nein. Ich will etwas Neues aufbauen. Die Musikindustrie in den USA ist durchfressen von Egos und der Produzenten und Geschäftsleute, die nur Geld machen wollen. Klar wollen wir alle ein gewisses Geld verdienen, aber man kann gute Musik machen und gleichzeitig Profite. Es gab immer Menschen, die kreativ waren, die eine Botschaft hatten. Solche Leute will ich fördern. Die Musikindustrie ist nur gerade dabei, an der Gier einiger weniger zugrunde zu gehen und seelenlos zu werden.

Ihr Song „What’s Up“ ist für viele junge Schwule und Lesben eine Art identitätsstiftende Hymne. Die 4 Non Blondes waren eine Frauen-Rockband. Das war damals, Anfang der 90er-Jahre, sehr progressiv.

Perry: Ja, war es. Alle meine Songs gehen aber von mir aus. Ich war frustriert, ich wusste nicht weiter, aber ich habe damit keine Aussage für andere verbunden. Es war meine Musik. Und ich wollte Menschen – nicht Frauen oder Männern – ein gutes Gefühl mitgeben. Weil du immer nur du selbst sein kannst. Wir können nur uns selbst treu sein.

Aber würden Sie sagen, dass Ihre Karriere mit dem Feminismus verknüpft ist?

Perry: Nein, auf keinen Fall. Meine Musik und meine Karriere sind mit mir selbst verknüpft. Die Aussagen meiner Songs sind universell. Sie heißen „Worauf wartest du?“, „Lass uns die Party starten“, „Was ist los?“. Das ist an alle Menschen gerichtet.

Feminismus ist Ihnen unwichtig?

Perry: Im Gegenteil. Ich möchte Sie und alle Journalisten fragen: Wenn eine Frau einen super Song schreibt, heißt es gleich, das sei Feminismus. Wenn ein Mann einen guten Song schreibt, dann ist es eben nur ein genialer Song. Warum ist das so? Wenn Sie sagen, meine Arbeit sei die einer Frau, sei feministisch, dann nehmen Sie mir meine Macht weg. Sie klauen mir meine Power als Kreative. Tun Sie das nicht.

Aber ärgert es Sie, dass viele männliche Musikproduzenten mehr in der Öffentlichkeit stehen?

Perry: Nein, das ist mir egal, weil ich weiß, was ich kann. Aber mich ärgert, dass in den USA mittlerweile eine gewisse Genervtheit von der #MeToo-Debatte herrscht. Und da denke ich mir: Sind jetzt schon wieder die Frauen schuld, weil sie darüber diskutieren? Männer unterdrücken Frauen seit mehr als 2000 Jahren, und uns als Frauen soll plötzlich nicht mehr erlaubt sein, darüber zu debattieren, ohne allgemeine Gereiztheit zu erzeugen? Aber vor allem dürfen wir Frauen uns nicht gegenseitig runterziehen. Frauen tun Frauen böse Dinge an. Sie halten sich gegenseitig klein durch diese Feminismus-Fragen. Sehen Sie, was ich meine?

Ja, Sie halten die Frage nach dem Feminismus für naiv.

Perry: Ja, weil sie Unterschiede unterstreicht. Weil sie den Erfolg von Frauen kleinredet, indem alles, was Frauen Tolles machen, in der Feminismus-Ecke landet. Aber es ist einfach so gut. Universell gut.