Berlin. Unsere Kinder sind im Gegensatz zu ihrer Elterngeneration Raketenwissenschaftler seit ihrer Geburt. Das ist doch eine schöne Sache.

Nun ist es bei mir zu Hause so, dass jedes Spielzeug zwei Anforderungen genügen muss. Und nein, es hat nichts mit Sicherheit, Haptik, Tüv oder Qualität zu tun. Nein, ganz anders.

Erstens: Es darf die Ästhetik der Wohneinrichtung nicht gefährden. Zweitens: Es darf keine Geräusche machen. Und wenn wir schon dabei sind, dann gibt es noch ein Drittens: Es darf die räumlichen Grenzen des Kinderzimmers nicht sprengen.

Mein ganzes Leben sind zwar nämlich die Kinder, aber meine Wohnung muss dieses Konzept nicht schon beim Reingehen erkennbar machen.

So kommt es also, dass meine Kinder relativ viel Holzspielzeug besitzen. Auch drollige Plüschtiere wie Einhörner, Lamas und Bären, neonfarbene Hipster-Decken, stylische Tipis aus der Welt von Nido und Co. sind erlaubt.

Neuanschaffungen nicht ausgeschlossen. So entdeckte ich neulich in einem Spielzeuggeschäft einen Jahreszeitenbaum mit geschnitzten Vögeln der Marke Ostheimer.

Die Mama findet es wunder-wunderschön, der Sohn bescheuert

„Der ist wunder-wunderschön“, sagte ich zu meinem sechsjährigen Sohn. Ich visualisierte den Baum schon als fertigen Deko-Artikel auf unserem Küchentisch. Mein Sohn allerdings schaute auf das Schnitzwerk und schüttelte den Kopf.

„Mama, der ist voll bescheuert. Was soll ich denn damit spielen?“ Er guckte mich ratlos an.

„Ach, das wirst du schon sehen“, sagte ich und nahm den Baum mit zur Kasse. „Das ist sehr gut zum Lernen. Die Vögel, die Natur.“

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    Mein Sohn folgte mir mutlos und mit gesenktem Kopf. Später im Restaurant, als er dann das Gericht nicht essen wollte, dass er eine halbe Stunde früher hatte unbedingt haben wollen, nahm ich ihn zur Seite und sagte: „Okay, du hast gewonnen. Wenn du dir Mühe gibst, etwas zu essen, darfst du dir etwas aussuchen.“

    Produktionsnotiz übrigens hier: Ich glaube nicht, dass es in Zeiten von gewaltfreier Erziehung Eltern gibt, die ohne materiellen Druck arbeiten. Ohne Belohnung. Solche, die das behaupten, lügen. Punkt. Und weiter im Text.

    Pokémon-Karten lassen Skat wie Maumau aussehen

    „Okay“, rief jedenfalls mein Sohn. „Ich will Pokémon-Karten.“ Ich überlegte kurz und ging meine obligatorischen Kriterien durch. Ist klein, lärmt nicht, bleibt in seinem Zimmer oder Schulranzen. Ich reichte meinem Sohn die Hand. „Wir sind im Geschäft.“

    Er lächelte. Und ich auch. Das ist nun zwei Wochen her. Und tatsächlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ich mit unserem Deal die Dose der Pandora geöffnet hatte. Denn für alle, die es noch nicht wussten: Pokémon ist ein hochkomplexes Spiel, an dem sogar Akademiker wie meine Wenigkeit brutal scheitern.

    Es gibt Kraftpunkte, es gibt eine Schule, es gibt Unterkategorien von Pokémon und Klassen. Wenn ich meinem Sohn und seinen Freunden auf dem Schulhof zuschaue, wie sie die Karten tauschen, erhöhen und reizen, kommt mir Skat dagegen wie Maumau vor.

    Ich sehe ihm zu und denke daran, dass ich mit sechs Jahren nur zwei alte Puppen hatte. Und dann finde ich die Kinder von heute ganz erstaunlich und so komplex in ihrem Denken. Wie seine Schwester schon mit vier Jahren meinen Handycode kennt. Wie mein Sohn und seine Kumpels durch diese Karten mit sechs Jahren schon dreistellige Zahlen identifizieren können. Wie er mich bittet, ihm die entsprechende App dazu herunterzuladen.

    Ich denke dann auch, dass wir als Eltern mal eine Pause von Holzspielzeug, Waldorf und jeder Technikfeindlichkeit brauchen. Dass unsere Kinder in einer viel komplexeren Welt als wir noch aufwachsen und wir vertrauen sollten, dass sie ihren Weg in dieser finden.

    Aber dass sie dennoch wissen, wie eine Bachstelze aussieht und sie das meinem wunderschönen Jahreszeitenbaum mit den Schnitzvögeln verdanken. Hey, echt jetzt mal.