Berlin. Wenn Kollegah morgens wach wird, hat unsere Autorin schon Kinder versorgt, war joggen und erklärt vom Schreibtisch die Welt. Was geht?

Der Rapper Kollegah hat ein Buch geschrieben und wer die vergangenen vier Wochen keine Nachrichten gesehen, keine Zeitungen gelesen oder ferngesehen hat, hier die Kurzversion: Kollegah, Rapper aus dem hessischen Friedberg und mit bürgerlichem Namen Felix Blume, hat den Motivationsratgeber „Das ist Alpha – die 10 Bossgebote“ geschrieben. Das Buch avancierte in nur wenigen Tagen zum Nummer-Eins-Bestseller und verdrängte damit sogar Thilo Sarrazin vom Spitzenplatz.

In „Alpha“ rechnet der Echo-Gewinner Kollegah mit allen möglichen Arten von Losern ab. Diese nennt er „Fridolins“, „Lauchs“ oder einfach nur „Lappen“. Das „Alpha-Mindset“ von Kollegah ist stumpf, aber einfach: Arbeite hart, stähle deine Muskeln und sei kein heulendes Mimöschen, wenn es nicht läuft oder der Bus weg ist.

Als Frau und Mutter immer um die Verbesserung meiner Top-Skills und meines Körpers bemüht, dachte ich mir also vergangene Woche: Schaust halt mal rein. Und hätte ich keinen sechsjährigen Sohn, der mir sein Weltbild als kleiner Junge jeden Tag vermittelt, nach dem Motto: „Yeah, Mama, kämpf mit mir“, hätte ich für diesen Cowboy-Macker-Quatsch auch mehr Verständnis.

Digger, ich crunche mit Einkaufstüten, wenn du gerade wach wirst

Denn während Kollegah aka Herr Blume hier einen auf Räuber und Gendarm in der Kleingartenanlage macht und mir erzählen will, dass er morgens 1000 Liegestützen bei der ersten Aufwärmwiederholung schafft, frage ich mich als alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern, wann Kollegahs Morgen angefangen hat. Halb 11 Uhr? 9 Uhr? Ja, das wäre für Kollege Blume ganz schön früh und hammerhart.

Für mich aber ist das die Uhrzeit, Digger, zu der ich schon seit vier Stunden wach bin, ein Kind zur Schule, das zweite in den Kindergarten gebracht habe, vom Joggen zurück bin, meine Crunches mit zehn Einkaufstüten gemacht habe und am Schreibtisch sitze, um mir über das Weltgeschehen Gedanken zu machen.

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    Und am Wochenende habe ich nicht frei, nein, Fridolin, es ist nur der Tag, an dem ich – die Chefin – um sieben statt um sechs aufstehe, weil die Kinder frei haben. Und beschwere ich mich, wie schwer mein Life ist? Natürlich nicht!

    Am frühen Aufstehen scheitern Weltkarrieren

    Ey, Kollegah, will ich schon beim Lesen von „Alpha“ rufen: Alleinerziehende, berufstätige Single-Eltern sind tausendmal krasser als Typen, die ironiefrei Goldketten und Sonnenbrillen in geschlossenen Räumen tragen – und mir einen vom Pumpen und Pimpen erzählen wollen.

    Typen wie Sie, lieber Kollegah, stehen auf, wenn Mütter ihre acht Stunden Arbeit schon abgerissen haben. Ihr Buch haben diese Ladies zwischendurch gelesen – zur Beruhigung und als Fantasyroman.

    Apropos Aufstehen: Damit hatte Kollegah-Kollege Bushido diese Woche mutmaßlich auch große Probleme. So dolle, dass er seine neue Morgen-Radioshow auf dem Berliner Sender 98.8 Kiss FM nach nicht mal einer Woche wieder einstellte. An Tag drei meldete sich der Labelboss mit einer Nasennebenhöhlenentzündung beim Sender krank und cancelte das ganze Format.

    Der richtig krasse Typ ist der beim Elternabend

    Ja, das frühe Aufstehen, an dem schon Weltkarrieren gescheitert sind. Aber warum das ausgerechnet Millionen von Müttern jeden Tag allein hinbekommen, darauf hat auch Felix Kollegah Blume in seinem „Alpha“-Buch keine Antwort. Frauen kommen bei ihm nur als Nebendarstellerinnen vor. „Frauen stehen auf Alpha-Typen“, schreibt er da. Und da gebe ich ihm recht.

    Frauen stehen tatsächlich auf Alpha-Typen. Auf solche, die den Hintern hochkriegen, die Kinder (meinetwegen auch in ihrer Prollkarre) zur Schule fahren, Windeln wechseln, zu Elternabenden gehen und (wie der krasse Dude in meinem Leben) auch noch die Steuererklärung klarmachen. Das, liebe Kollegahs, sind die Typen mit dem Sex. Einer ganzen Menge davon.