Berlin. Am Mittwoch wäre Romy Schneider 82 Jahre alt geworden. Das Verhältnis der großen Schauspielerin zum deutschen Publikum war schwierig.

Dieser Text erschien erstmals im September 2018. Damals wäre Romy Schneider 80 Jahre alt geworden.

Am 23. September wäre sie 82 Jahre alt geworden. An einem solchen Tag mag man sich fragen, was Romy Schneider wohl täte, wenn sie noch leben würde. Wäre sie noch immer eine Grande Dame des französischen Kinos, wie die fünf Jahre jüngere Catherine Deneuve?

Hätte sie sich längst aus der verhassten Öffentlichkeit zurückgezogen, wie die drei Jahre ältere Brigitte Bardot? Oder würde sie eher belanglose TV-Filme drehen, wie die nur drei Wochen jüngere Christiane Hörbiger?

Die Spekulationen sind müßig. Romy Schneider ist seit über 38 Jahren tot. Sie wurde am 29. Mai 1982 leblos in ihrer Pariser Wohnung gefunden. Gestorben, so die offizielle Todesursache, an Herzversagen. Oder, wie Alain Delon damals treffender sagte, „an gebrochenem Herzen“.

Die alten „Sissy“-Filme erzielen noch heute Traumquoten

Sie hatte etliche Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Hatte viel Alkohol gebraucht und viele Tabletten. Am Ende konnte sie auch das nicht mehr betäuben. Drei Jahre vor ihrem Tod hatte sich ihr Ex-Mann Harry Meyen erhängt. Anderthalb Jahre zuvor hatte sie sich von ihrem zweiten Mann Daniel Biasini getrennt.

Und nur zehn Monate davor starb ihr Sohn David, als er beim Klettern über einen Zaun gepfählt wurde. Seitdem erlosch Romy Schneider, starb jeden Tag ein wenig mehr. Sie hatte alles gegeben für ihre Kunst, aber nichts für sich selbst übrig gelassen.

Und doch bleibt sie, ein Privileg der früh Gestorbenen, unvergessen. Kein Jahr vergeht, an dem nicht ein neuer Romy-Bildband erscheint. Und wann immer die alten „Sissi“-Filme wiederholt werden, setzt es Traumquoten.

Romy Schneider: Ein Leben voller Tragik

„Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider“: Das kürzeste Porträt der Filmlegende stammt von ihr selbst. 1981 sagte Schneider jenen Satz dem „Stern“, und immer wieder geht es im Interview darum, was die Deutsch-Französin nicht ist: Sissi. Die Schauspielerin hätte am 23. September ihren 80. Geburtstag feiern. Bilder aus ihrem Leben.
„Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider“: Das kürzeste Porträt der Filmlegende stammt von ihr selbst. 1981 sagte Schneider jenen Satz dem „Stern“, und immer wieder geht es im Interview darum, was die Deutsch-Französin nicht ist: Sissi. Die Schauspielerin hätte am 23. September ihren 80. Geburtstag feiern. Bilder aus ihrem Leben. © dpa | Rauchwetter
1938 wird Romy Schneider in Wien als Rosemarie Albach geboren, wächst in Bayern auf und schon mit 15 Jahren ist sie auf der Leinwand zu sehen. An der Seite ihrer Mutter Magda Schneider (r.) spielte sie in Heimatfilmen wie „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953) und „Die Deutschmeister“ (1955).
1938 wird Romy Schneider in Wien als Rosemarie Albach geboren, wächst in Bayern auf und schon mit 15 Jahren ist sie auf der Leinwand zu sehen. An der Seite ihrer Mutter Magda Schneider (r.) spielte sie in Heimatfilmen wie „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953) und „Die Deutschmeister“ (1955). © imago/United Archives | imago stock&people
Mit 17 gibt sie zum ersten Mal die österreichische Kaiserin Elisabeth, zwei weitere Sissi-Filme folgen.
Mit 17 gibt sie zum ersten Mal die österreichische Kaiserin Elisabeth, zwei weitere Sissi-Filme folgen. © imago/United Archives | Romy Schneider
Die Schauspielerin als Kaiserin Elisabeth und der Theater- und Filmschauspieler Karlheinz Böhm als ihr Gatte Kaiser Franz Joseph von Österreich in einer Filmszene aus dem Jahr 1955. Mit Zuschauerzahlen zwischen 20 und 25 Millionen gelten die „Sissi“-Filme als eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Filmproduktionen.
Die Schauspielerin als Kaiserin Elisabeth und der Theater- und Filmschauspieler Karlheinz Böhm als ihr Gatte Kaiser Franz Joseph von Österreich in einer Filmszene aus dem Jahr 1955. Mit Zuschauerzahlen zwischen 20 und 25 Millionen gelten die „Sissi“-Filme als eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Filmproduktionen. © imago/teutopress | Romy Schneider
Ende der 50er Jahre zieht sie nach Frankreich – auf der Suche nach anspruchsvolleren Rollen. Dort startete ihre zweite Karriere als Grand Dame des französischen Kinos.
Ende der 50er Jahre zieht sie nach Frankreich – auf der Suche nach anspruchsvolleren Rollen. Dort startete ihre zweite Karriere als Grand Dame des französischen Kinos. © dpa | Gerhard Rauchwetter
Frankreich war der Sehnsuchtsort der hochbegabten, aber nie als Schauspielerin ausgebildeten Schneider.
Frankreich war der Sehnsuchtsort der hochbegabten, aber nie als Schauspielerin ausgebildeten Schneider. © imago/Cinema Publishers Collection | Romy Schneider
„Ich fühle mich zu einem Viertel als Österreicherin und zu drei Vierteln als Französin“, bekannte sie damals.
„Ich fühle mich zu einem Viertel als Österreicherin und zu drei Vierteln als Französin“, bekannte sie damals. © picture alliance / Everett Colle | dpa Picture-Alliance / Courtesy Everett Collection
Die Deutschen hatten Ende der 1950er Jahre ein Problem damit, dass die von ihnen verehrte Verkörperung der Unschuld mit dem skandalumwitterten französischen Schauspieler Alain Delon nach Paris zog.
Die Deutschen hatten Ende der 1950er Jahre ein Problem damit, dass die von ihnen verehrte Verkörperung der Unschuld mit dem skandalumwitterten französischen Schauspieler Alain Delon nach Paris zog. © dpa | Georg Göbel
„Wir sind die beiden meistbeschimpften Frauen Deutschlands“, habe ihr die damals 38-jährige Schneider in einem Interview 1976 gesagt, so die Feministin Alice Schwarzer. Für die Dokumentation „Ein Abend mit Romy“ von Patrick Jeudy kommentiert die Journalistin die Tonbandaufnahmen. Vor dem Interview hatte Schneider zusammen mit 374 Frauen im Magazin „Stern“ mutig bekannt: „Wir haben abgetrieben“.
„Wir sind die beiden meistbeschimpften Frauen Deutschlands“, habe ihr die damals 38-jährige Schneider in einem Interview 1976 gesagt, so die Feministin Alice Schwarzer. Für die Dokumentation „Ein Abend mit Romy“ von Patrick Jeudy kommentiert die Journalistin die Tonbandaufnahmen. Vor dem Interview hatte Schneider zusammen mit 374 Frauen im Magazin „Stern“ mutig bekannt: „Wir haben abgetrieben“. © obs | ARTE G.E.I.E.
Die Beziehung zu Delon scheiterte 1963. „Nach der Liebe mit Alain war ich verbraucht, verloren, geschunden.“
Die Beziehung zu Delon scheiterte 1963. „Nach der Liebe mit Alain war ich verbraucht, verloren, geschunden.“ © imago/ZUMA/Keystone | Romy Schneider
Schneider stürzte sich in die Arbeit, avancierte in den 1960er und 1970er Jahren zum bewunderten Star in Frankreich.
Schneider stürzte sich in die Arbeit, avancierte in den 1960er und 1970er Jahren zum bewunderten Star in Frankreich. © picture alliance / Everett Colle | dpa Picture-Alliance / Courtesy Everett Collection
1966 heiratete sie den deutschen Regisseur Harry Meyen, kehrte vorübergehend nach Deutschland zurück. Ihr Sohn David wurde geboren.
1966 heiratete sie den deutschen Regisseur Harry Meyen, kehrte vorübergehend nach Deutschland zurück. Ihr Sohn David wurde geboren. © imago/United Archives | Wolfgang Kühn
1968 drehte sie vielbeachtet den Krimi „Swimmingpool“ mit Ex-Freund Delon.
1968 drehte sie vielbeachtet den Krimi „Swimmingpool“ mit Ex-Freund Delon. © picture alliance / United Archiv | dpa Picture-Alliance / United Archives/IFTN
1970 war sie an der Seite von Michel Piccoli im Liebesdrama „Die Dinge des Lebens“ zu sehen.
1970 war sie an der Seite von Michel Piccoli im Liebesdrama „Die Dinge des Lebens“ zu sehen. © imago/United Archives | imago stock&people
Ein Jahr später standen sie für „Das Mädchen und der Kommissar“ erneut vor der Kamera.
Ein Jahr später standen sie für „Das Mädchen und der Kommissar“ erneut vor der Kamera. © imago/United Archives | imago stock&people
In den 1970er Jahren war Schneider auf ihrem künstlerischen Höhepunkt.
In den 1970er Jahren war Schneider auf ihrem künstlerischen Höhepunkt. © imago/Sven Simon | Romy Schneider
1973 bis 1975 spielte sie in fünf Filmen, darunter „Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen“ (hier zu sehen), „Das wilde Schaf“ und „Trio Infernal“.
1973 bis 1975 spielte sie in fünf Filmen, darunter „Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen“ (hier zu sehen), „Das wilde Schaf“ und „Trio Infernal“. © imago/United Archives | Romy Schneider
Nach der Trennung von Meyen sagte sie 1976 „Ja“ zu ihrem Privatsekretär Daniel Biasini. Tochter Sarah wurde geboren. Ihre Alkohol- und Tablettensucht steigerte sich so, dass sie oft in die bretonische Hafenstadt Quiberon zum Entzug fuhr.
Nach der Trennung von Meyen sagte sie 1976 „Ja“ zu ihrem Privatsekretär Daniel Biasini. Tochter Sarah wurde geboren. Ihre Alkohol- und Tablettensucht steigerte sich so, dass sie oft in die bretonische Hafenstadt Quiberon zum Entzug fuhr. © imago/United Archives | Romy Schneider
Für „Nachtblende“ (1976) mit Klaus Kinski und „Eine einfache Geschichte“ (1979) wurde sie mit dem Filmpreis Cesar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.
Für „Nachtblende“ (1976) mit Klaus Kinski und „Eine einfache Geschichte“ (1979) wurde sie mit dem Filmpreis Cesar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. © picture-alliance/ dpa | dpa Picture-Alliance / dpa
Insgesamt drehte sie 59 Streifen. Regisseur Claude Sautet beschrieb sie so: „Sie ist gleichzeitig Gefühl und Spannkraft, Panik und Heiterkeit.“
Insgesamt drehte sie 59 Streifen. Regisseur Claude Sautet beschrieb sie so: „Sie ist gleichzeitig Gefühl und Spannkraft, Panik und Heiterkeit.“ © dpa | Horst Ossinger
Sie spielte unter der Regie von namhaften Regisseuren wie Claude Sautet, Andrzej Żuławski und Luchino Visconti (l.).
Sie spielte unter der Regie von namhaften Regisseuren wie Claude Sautet, Andrzej Żuławski und Luchino Visconti (l.). © imago/Sven Simon | Romy Schneider
„Das Verhör“ aus dem Jahre 1981.
„Das Verhör“ aus dem Jahre 1981. © imago/Granata Images | Romy Schneider
Ihre letzte Rolle spielte sie 1982 in „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ – neben Michel Piccoli.
Ihre letzte Rolle spielte sie 1982 in „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ – neben Michel Piccoli. © picture alliance / United Archiv | dpa Picture-Alliance / United Archives/IFTN
Der Streifen sei „das letzte Dokument des viel zitierten „gebrochenen Herzens“, an dem Schneider aus Sicht vieler Fans kurz nach der Premiere starb“, befand der „Spiegel“.
Der Streifen sei „das letzte Dokument des viel zitierten „gebrochenen Herzens“, an dem Schneider aus Sicht vieler Fans kurz nach der Premiere starb“, befand der „Spiegel“. © picture alliance / Everett Colle | dpa Picture-Alliance / Fred Baker Films/courtesy Everet
Romy Schneider wurde zehn Monate nach dem Unfalltod ihres Sohnes David am 29. Mai 1982 im Alter von 43 Jahren tot am Schreibtisch ihrer Wohnung in Paris gefunden.
Romy Schneider wurde zehn Monate nach dem Unfalltod ihres Sohnes David am 29. Mai 1982 im Alter von 43 Jahren tot am Schreibtisch ihrer Wohnung in Paris gefunden. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / AFP
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In Frankreich erfand sich Romy Schneider neu

Als Romy 1982 starb, haben die Deutschen sie freilich zum zweiten Mal verloren. Das erste Mal war schon Ende der 50er-Jahre, als sie nicht mehr die „Sissi“ sein wollte, als sie selbst eine Million DM, eine damals unvorstellbare Summe, in den Wind schlug für einen vierten „Sissi“-Film.

Lieber verstörte sie das Publikum mit gewagten Filmen wie „Mädchen in Uniform“ und „Schöne Lügnerin“. Und floh schließlich nach Frankreich. Die Sauberfrau ging mit dem Hallodri Alain Delon durch. So hat es das deutsche Publikum damals gesehen, das wie ein verschmähter Liebhaber zurückblieb.

In Frankreich erfand sich Romy Schneider neu. Lernte eine neue Sprache. Senkte ihre Stimme. Häutete sich wie eine Schlange. Ließ sich von Regisseuren wie Luchino Visconti formen. Und fand in Claude Sautet einen kongenialen Regisseur, mit dem sie ihre besten Filme drehte.

Die Deutschen wollten sie aber weiter nur als Backfisch, das süße Maderl, das ewige Kind sehen. Ein kollektives Missverständnis – obwohl sie als Tochter zweier Filmstars (Magda Schneider und Wolf Albach-Retty) eigentlich nie eine Kindheit hatte und von ihrer Mutter schon mit 14 Jahren zum Kinderstar aufgebaut wurde.

Aus einer Nationalheiligen wurde eine Vaterlandsverräterin

Obwohl man ihr auf der Leinwand bei der Pubertät zusehen konnte, wollte eine ganze Nation – wie ein eifersüchtiger Vater – nicht wahrhaben, dass das Kind erwachsen wurde. Dass es einen eigenen Weg ging. Und eine Schauspielerin wurde, die nun auch reifere Frauen spielte. Frauen, die sich oft nahmen, was sie wollten, und auch nicht selten eine Vergangenheit hatten.

Die Franzosen verehrten sie als „la Schneider“, die Deutschen nannten sie beharrlich bei ihrem Mädchennamen Romy. Den Wandel von der Raupe zum Schmetterling nahmen viele als persönlichen Affront wahr. Aus einer Nationalheiligen war eine Vaterlandsverräterin, aus einer Heiligen eine Hure geworden. So sah man das damals.

Freilich: Die Fans, die sie einst geliebt und ihr dann nicht verziehen haben, sind alt geworden. Längst sind andere Generationen nachgerückt, die sich auch noch an den „Sissi“-Filmen ergötzen, Romy Schneider aber unvoreingenommen wahrnehmen. Als den Ausnahmestar, der sie war.

Man wünschte sehr, Romy Schneider hätte das noch erlebt. Man wüsste auch gern, was sie, die in so vielen Filmen gegen die Nazigräuel mitspielte, heute zu dem überall erstarkenden Rechtsradikalismus zu sagen hätte. Sie war ein Weltstar, wie das deutschsprachige Kino nicht viele hervorgebracht hat. Sie fehlt uns.