Berlin. David Garrett geht 2019 wieder auf Deutschlandtour. Ein Gespräch mit dem Popstar unter den Geigern über Musik, Gefühle und Gesundheit.

Mehr als drei Millionen verkaufte Alben, drei Dutzend Gold- und Platin-Auszeichnungen in Europa, Asien und Lateinamerika – David Garrett (38) gehört zu den Popstars unter den Geigern. Mit seinem Mix aus E- und U-Musik will er Menschen erreichen, die der Klassik sonst fernbleiben. Jahrelang schien es für Garrett nur bergauf zu gehen.

Doch dann kam im vergangenen Jahr die Klage einer Ex-Freundin, die ihm vorwarf, beim Sex handgreiflich geworden zu sein. Auch gesundheitliche Probleme brachten ihn an seine Grenze. Doch das Tief hat er überwunden und startet seine neue Tour „Unlimited“. Sören Kittel hat den Geigenvirtuosen in Berlin getroffen und mit ihm über Musik, Gefühle und seine Gesundheit gesprochen.

Herr Garrett, gibt es Musikstücke, die Sie zum Weinen bringen?

David Garrett: Seltener. Das letzte Mal, dass ich geweint habe, war bei der Hochzeit meines Bruders. Das hat mich einfach emotional ergriffen, dass ich meinen Bruder so glücklich gesehen habe. Wir haben ein inniges Verhältnis, und wenn er dann die Frau fürs Leben gefunden hat, die ihn so glücklich macht, das ist schon sehr emotional.

Sie waren immer ein Familienmensch, haben mit Ihrem Bruder zusammengewohnt.

Garrett: Wir sind immer noch eng verbunden. Er wohnt in New York und arbeitet dort in einer Anwaltskanzlei. Er ist vor eineinhalb Jahren Vater geworden und wohnt jetzt mit seiner Frau und seinem Sohn etwas außerhalb.

Sie sind in Aachen geboren, leben derzeit meist in New York. Man sagt, der Hype sei vorbei.

Garrett: New York ist ein bisschen ruhiger geworden, aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich in einer ruhigen Ecke wohne. Es hat aber sicher auch mit dem Älterwerden zu tun. Es ist auch schön, mich auf die Couch zu legen.

Dabei haben Sie auch ein hohes Pensum. Ist es schwierig, noch neue Dinge zu finden?

Garrett: Dieses neue Album ist ja ein Greatest-Hits-Album, also meine Auswahl der für mich besten Tracks der letzten zehn Jahre. Wir haben vier Stücke in einer Unplugged-Version neu aufgenommen, darunter Bachs „Air“, „Walk This Way“ von Aero­smith oder „Smooth Criminal“ von Michael Jackson.

Das ist das elfte Album in zehn Jahren. Ist das nicht zu viel Arbeit?

Garrett: Das nicht, aber ich werde sicher irgendwann mal kürzertreten, vielleicht einmal nur 40 Konzerte im Jahr spielen statt 100 oder 120.

Sie waren ja auch krank, hatten einen Bandscheibenvorfall.

Garrett: Ja, das war unangenehm. Aber mir war es sehr wichtig, die Probleme konservativ zu therapieren, damit es wirklich ausheilt. Es war ja auch recht ernst. Ich hatte stellenweise kein Gefühl mehr in der linken Hand. Das ist natürlich zum Geigespielen nicht gerade unwichtig. Aber nach täglich zwei Stunden Physiotherapie über die letzten sieben Monate kann ich sagen: Jetzt ist wieder alles hundert Prozent in Ordnung.

Ihnen wurde vor Kurzem der Frankfurter Musikpreis verliehen.

Garrett: Ja, das war wirklich eine sehr große Ehre, aber die vielen Komplimente waren mir schon fast unangenehm.

Im Vorfeld gab es ja Menschen, die das anzweifelten, nach dem Motto: Kann er überhaupt noch Klassik?

Garrett: Die Frage stellt sich mir nie, weil ich immer auch Klassik im Programm habe. Ich habe vor zwei Jahren noch Brahms und Bruch mit Zubin Mehta aufgenommen. Letztes Jahr in München habe ich an der Philharmonie ein Bruch-Konzert gespielt. Ich bin immer mit den großen klassischen Werken unterwegs.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration fürs Komponieren eigener Stücke?

Garrett: Ich bin quasi von Inspiration umgeben. Über zehn Jahre beschäftige ich mich immer mit Musik, dazu all die Reisen und Begegnungen mit tollen Menschen – wenn man da keine Inspiration bekommt, dann weiß ich auch nicht wovon. Künstlerische Inspiration liefert doch jede Situation des Lebens.

Haben Sie schon mal daran gedacht, einige Ihrer Tattoos entfernen zu lassen?

Garrett: Nein, die gehören zu mir. Die schönen, die nicht so schönen Momente, die machen einen doch aus, meinen Charakter, mein Leben. Da würde ich nie etwas wegmachen lassen. Selbst die schlechten Dinge, aus denen lernt man doch manchmal das meiste. Selbst, wenn einem ein Tattoo nicht mehr gefällt, sollte man dazu stehen. Das hat man in dem Moment aus vollem Herzen gemacht, es war damals genau richtig.